BGH hebt Freispruch auf: LG Kassel muss neu über Rechts­beu­gung durch Probe­richter ver­han­deln

31.05.2012

Das LG Kassel hatte einen Richter auf Probe vom AG Eschwege vom Vorwurf der Rechtsbeugung freigesprochen, der einen Beschuldigten testweise in eine Gewahrsamszelle hatte sperren lassen. In der Folge gestand dieser die ihm zur Last gelegten Taten. Der BGH hat den Freispruch des damaligen Proberichters am Donnerstag durch Beschluss aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung an das LG zurückverwiesen.

Der zweite Strafsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) hat mit Beschluss von Donnerstag den Freispruch eines Richters auf Probe vom Vorwurf der Rechtsbeugung durch das Landgericht (LG) Kassel aufgehoben. Der 2. Strafsenat hielt die Beweiswürdigung des Kasseler Gerichts für nicht ausreichend (Beschl. v. 31.05.12. Az. 2 StR 610/11).

Nach den Feststellungen des LG leitete der nun angeklagte Richter eine Hauptverhandlung wegen exhibitionistischer Handlungen, welche sich an einen Einspruch des damaligen Beschuldigten anschloss. In der Verhandlung bestritt dieser den Tatvorwurf, worauf der Richter nachhaltig und drohend auf ihn einwirkte, um ihn zu einem Geständnis und zur Erklärung zu veranlassen, in eine ambulante Therapie einzuwilligen. Möglicherweise war er in der Annahme, der Strafbefehl sei im Schuldspruch bereits rechtskräftig und der Einspruch auf das Strafmaß beschränkt. Er wollte außerdem erreichen, dass der Beschuldigte nach Urteilsverkündung sogleich auf Rechtsmittel verzichtete.

Um dem Beschuldigten zu zeigen, wie seine "Zukunft aussehen kann", unterbrach er unvermittelt die Sitzung und begab sich mit dem Beschuldigten und einem Wachtmeister in den Keller des Amtsgerichts (AG) Eschwege, wo sich mehrere Gewahrsamszellen befanden. Er veranlasste den Beschuldigten, sich in eine Zelle zu begeben, die daraufhin geschlossen wurde. Nach etwa 20 Sekunden wurde die Tür auf Veranlassung des Richters wieder geöffnet. Hiernach setzte er die Hauptverhandlung fort, in der der damalige Beschuldigte nun vollumfänglich geständig war. Der nun angeklagte Richter verurteilte diesen daraufhin zu einer Geldstrafe unter Strafvorbehalt, verbunden mit einer Therapieauflage. Der immer noch stark eingeschüchterte Beschuldigte und der Staatsanwalt erklärten sogleich Rechtsmittelverzicht.

LG sah keinen Rechtsbeugungsvorsatz

Dass der angeklagte Richter den damaligen Beschuldigten durch sein prozessordnungswidriges Verhalten zu einem Geständnis habe zwingen wollen, sah das LG als erwiesen an. Es sah aber keine für den Rechtsbeugungsvorsatz erforderliche Zielrichtung, dem damaligen Beschuldigten einen unrechtmäßigen prozessualen Nachteil zuzufügen. Der Richter sei unwiderlegt davon ausgegangen, nur noch über die Rechtsfolgen der Tat entscheiden zu müssen. Wegen der Sperrwirkung des § 339 Strafgesetzbuch (StGB) sei auch eine mögliche Aussageerpressung straflos (Urt. v. 01.09.2011., Az. 3600 Js 37702/09 5 Kls). Die Staatsanwaltschaft sah in dem erfolgten Freispruch des LG die Verletzung sachlichen Rechts und legte Revision ein.

Der zweite Senat des BGH hat diese Beweiswürdigung für nicht ausreichend erachtet, insbesondere habe sich das LG nicht mit der Frage beschäftigt, ob der Richter durch sein Verhalten auch die Einwilligung in eine Therapieauflage und den Rechtmittelverzicht herbeiführen wollte. Aus diesem Umstand können sich ebenfalls prozessuale Nachteile ergeben, so die BGH-Richter. Die Beweiswürdigung sei daher rechtsfehlerhaft.

una/LTO-Redaktion

Zitiervorschlag

BGH hebt Freispruch auf: . In: Legal Tribune Online, 31.05.2012 , https://www.lto.de/persistent/a_id/6304 (abgerufen am: 20.11.2024 )

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