Nach massiver Kritik an dem ursprünglichen Entwurf zum PolG hat der Landtag NRW das nachgebesserte Gesetz verabschiedet. Experten meinen, die Regierung breche damit sehenden Auges die Verfassung.
Allen Demonstrationen zum Trotz hat auch Nordrhein-Westfalen nun ein neues Polizeigesetz (PolG). Die SPD hatte bereits am Dienstag mitgeteilt, dem aktuellen Entwurf der Regierungskoalition aus CDU und FDP zuzustimmen. Die Abstimmung im Landtag am Mittwoch war damit nur noch eine Formalität. Die Grünen stimmten gegen das Vorhaben. Sie haben weiterhin verfassungsrechtliche Bedenken.
Mit dem Gesetzt erweitert NRW die Befugnisse der Polizei bei der Terrorabwehr und der Alltagskriminalität. Nach massiver Kritik von Verfassungsrechtlern hatten CDU und FDP unter enger Beteiligung der SPD den ursprünglichen Entwurf mehrmals nachgebessert.
Erlaubt sind künftig unter bestimmten Umständen elektronische Fußfesseln, Videobeobachtung von Plätzen, das Auslesen von Messengerdiensten wie Whatsapp und ein längerer Polizeigewahrsam, etwa für Gefährder.
Sieben Tage in Gewahrsam
Nach geltender Rechtslage ist ein Polizeigewahrsam maximal 48 Stunden möglich. Künftig soll die Ingewahrsamnahme bei Bevorstehen eines Verbrechens nach richterlicher Anordnung bis zu 14 Tage möglich sein - mit der Option, diese um weitere 14 Tage zu verlängern. Zur Identitätsfeststellung kann die Polizei die Bürger bisher maximal zwölf Stunden festhalten, das neue PolG sieht bis zu sieben Tage vor. Auch die Überwachung jeglicher Telekommunikation wird künftig erlaubt, allerdings sind nun entgegen dem ursprünglichen Entwurf die Träger von Berufsgeheimnissen wie Geistliche, Ärzte oder Rechtsanwälte ausgenommen.
"Die Verschärfungen werden nun milder ausfallen als ursprünglich geplant", sagt Dr. Nikolaos Gazeas, Rechtsanwalt und Lehrbeauftragter der Universität zu Köln, im Gespräch mit LTO. Im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens seien eine Vielzahl rechtsstaatlicher Verbesserungen erreicht worden - nicht zuletzt aufgrund dezidierter Kritik von Sachverständigen in zwei Anhörungen und dem engagierten Einsatz der FDP-Granden Burkhard Hirsch und Gerhart Baum.
"Es bleibt weiterhin bedauerlich, dass insbesondere der Staatstrojaner ohne eine Zertifizierungspflicht zum Einsatz kommen darf und damit der Richter, der seinen Einsatz anordnet, nicht überprüfen kann, ob die Spähsoftware tatsächlich auch nur das kann, was sie rechtlich darf", so Gazeas weiter.
Und auch bei der Definition der "drohenden terroristischen Gefahr" habe der Landesgesetzgeber denselben Fehler begangen wie der Bundesgesetzgeber und unreflektiert eine Formulierung verwendet, die in zeitlicher Hinsicht sehr unbestimmt sei. Künftig dürfen u.a. Kontaktverbote und Aufenthaltsvorgaben angeordnet werden, wenn eine terroristische Gefahr "innerhalb eines übersehbaren Zeitraums" drohe. "Wann aber ein solcher 'übersehbarer Zeitraum' vorliegt, bleibt hierbei völlig offen. Es können auch Jahre sein", sagt Gazeas.
"Sehenden Auges in den Verfassungsbruch"
Darüber hinaus sieht er "einen Verfassungsbruch sehenden Auges": Wenn der Einsatz von Vertrauenspersonen (nicht: verdeckter Ermittler) gefährdet ist, darf eine Benachrichtigung über eine heimliche Überwachungsmaßnahme zurückgestellt werden. "Hier hat das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass das unzulässig ist", erklärt der Jurist.
*Dennoch: "Es ist erfreulich, dass der Gesetzgeber sich derart intensiv und dezidiert mit der geäußerten Kritik auseinander gesetzt und in zentralen Punkten nachjustiert hat. Das ist in dieser Form bisher in keinem anderen Bundesland geschehen. Im Vergleich zu anderen Polizeigesetzen ist das NRW-Gesetz dasjenige, das die Freiheit noch am ehesten achtet", sagt Gazeas.
Die Problematik des möglichen Verfassungsbruchs hatte Innenminister Herbert Reul (CDU) durchaus gesehen. Aber immerhin, so sagte er bereits im Oktober: Der korrigierte Entwurf begrenze "das verfassungsrechtliche Risiko auf ein Minimum". Gegenüber dem WDR sagte er am Mittwoch: "Ich glaube, wir sind auf einer relativ guten Seite".
Die Grünen im Landtag lehnen das neue Polizeigesetz trotz der mehrfachen Entschärfungen ab. Sie erwägen Klagen vor dem NRW-Verfassungsgericht in Münster oder vor dem Bundesverfassungsgericht.
Mit Material von dpa
*Abschnitt eingefügt am 13.12.2018, 13.15h
NRW verabschiedet Polizeigesetz: . In: Legal Tribune Online, 12.12.2018 , https://www.lto.de/persistent/a_id/32693 (abgerufen am: 05.11.2024 )
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