Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil will am Entwurf zum geplanten Polizeigesetz nichts mehr verändern. Kritikern des Gesetzes erteilte er in einem Interview eine Absage. Der Landtag reagierte verärgert.
Trotz heftiger Kritik von Menschenrechtlern und Juristen am geplanten neuen Polizeigesetz will Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil den Entwurf nicht nachbessern. Auf die entsprechende Frage sagte der SPD-Politiker im Sommerinterview bei NDR 1 Niedersachsen: "Ich glaube nicht. Niedersachsen ist nicht Bayern, in Niedersachsen sind wir niedersächsisch mit Augenmaß vorgegangen." Weil sagte weiter: "Alles in allem ist das ein Entwurf, zu dem man gut stehen kann. Ich tue das jedenfalls und stelle mich da jeder Diskussion."
Der Schwerpunkt liege auf schweren Straftaten, insbesondere auf terroristischen Gewalttaten. Mit der Digitalisierung habe das organisierte Verbrechen ganz andere Möglichkeiten, weshalb man auch der Polizei die Möglichkeiten geben müsse, die organisierte Kriminalität erfolgreich zu verfolgen, argumentierte der Ministerpräsident.
Das geplante Gesetz soll Polizisten mehr Befugnisse zur Terrorabwehr geben. Es sieht etwa die präventive Kommunikationsüberwachung auch verschlüsselter Sprachnachrichten, die Online-Durchsuchung sowie den Einsatz elektronischer Fußfesseln zur Überwachung von Gefährdern vor. Sie sollen bis zu 74 Tage in Präventivgewahrsam genommen werden können. Zudem umfasst es strengere Meldeauflagen und regelt das Tragen elektronischer Fußfesseln sowie den Bodycam-Einsatz.
Kritik von Opposition, Datenschützern und Juristen
Weil lasse Respekt vor dem Parlament missen, rügte der FDP-Landtagsabgeordnete Jan-Christian Oetjen zum Auftakt der Anhörungen zu dem Gesetzesvorhaben am Donnerstag im Innenausschuss des Landtags. "Wir haben nicht einmal unsere Anhörungen abgeschlossen", sagte Oetjen als Reaktion auf Weils Äußerungen. "Ich finde, das ist eine unangemessene Weise, mit dem Landtag umzugehen."
Die Landesdatenschutzbeauftragte Barbara Thiel hatte zum Auftakt der dreitägigen Anhörungen das geplante Gesetz scharf kritisiert. Auch Datenschützer und Juristen schlossen sich ihrer Kritik ausdrücklich an. Der Nürnberger Anwalt Cornelius Held rügte am Donnerstag vor allem die geplante Videoüberwachung und den Umgang mit den Daten, den auch Constanze Kurz vom Chaos Computer Club bedenklich findet. Sie warnte zudem vor dem Staatstrojaner, bei dem Verdächtigen zum Ausspähen Schadstoff-Software auf den Computer gespielt wird. In diesen Graumarkt der Sicherheitslücken einzusteigen könne mehr schaden als nutzen. "Schadstoff-Software aus den digitalen Waffenschränken des Staates" könne zudem Drittrechner lahmlegen.
Technisch wie rechtlich bedenklich sei auch eine Regelung, die bei einem gehackten Computer Zugriff auf gespeicherte Daten erlaubt; denn die stellten keine Kommunikation dar. Zudem müsse der Schutz der Privatsphäre gelten: "Da müsste auf jeden Fall nachgearbeitet werden." Sie halte es für einen Fehler, auf Verfassungsgerichte zu setzen, statt von Beginn an Rat von Juristen und Experten einzuholen.
"Wir sehen erheblichen Überarbeitungsbedarf", sagte auch Friedemann Ebelt von der digitalen Grundrechte-Organisation Digitalcourage aus Bielefeld zu dem Gesetzesvorhaben. "Wir wünschen uns eine schriftliche Zusammenfassung der Stellungnahmen und eine schriftliche Neubewertung durch die Landesregierung", forderte er. Das Bündnis #noNPOG - dem auch die Organisation Digitalcourage angehört – rief dazu auf, den Entwurf abzulehnen. "Es ist eine Verwischung der Grenzen der Gewaltenteilung und eine grundsätzliche Infragestellung unseres Rechtssystems", sagte dessen Sprecherin Juana Zimmermann.
dpa/acr/LTO-Redaktion
Keine Entschärfung des geplanten Polizeigesetzes: . In: Legal Tribune Online, 16.08.2018 , https://www.lto.de/persistent/a_id/30375 (abgerufen am: 22.11.2024 )
Infos zum Zitiervorschlag