An der Strafverfolgung wegen eines Tweets, der Andy Grote als "1 Pimmel" bezeichnet, besteht kein öffentliches Interesse - an den Folgen der Aktion hingegen schon. Bis heute sind Sticker und Plakate über die Hamburger Innenstadt verteilt.
Die Generalstaatsanwaltschaft Hamburg wird den Vorfall des sogenannten Pimmelgates wegen des Vorwurfs der Beleidigung im Internet nicht weiter verfolgen. Wegen fehlenden öffentlichen Interesses an einer Strafverfolgung sei das Ermittlungsverfahren bereits vor Monaten eingestellt worden, bestätigte die Staatsanwaltschaft gegenüber LTO.
Das Pimmelgate hatte im Mai 2021 mit einem gegen den Innensenator Andy Grote (SPD) gerichteteten Tweet seinen Lauf genommen. Der Tweet "Du bist so 1 Pimmel" folgte als Reaktion auf einen Tweet von Grote, in dem er Menschen als ignorant bezeichnete, die trotz Corona im Schanzenviertel gefeiert hatten. Grote selbst hatte allerdings zu Beginn der Pandemie seine neuerliche Berufung zum Innensenator unter Missachtung der Corona-Regeln in einer Kneipe gefeiert und dafür eine Geldbuße zahlen müssen.
Der Innensenator sah sich durch die Wortwahl beleidigt und stellte einen Strafantrag wegen Beleidigung (§§ 185 StGB), woraufhin drei Monate nach dem Tweet die Wohnung des mutmaßlichen Urhebers in St. Pauli durchsucht wurde. Tausende Menschen kritisierten die Aktion im Netz unter dem #Pimmelgate als völlig unverhältnismäßig und überzogen. Der Vorfall sorgte für erhebliches Aufsehen auch international, sodass sogar die Washington Post über die Angelegenheit berichtete.
Grote auf den Privatklageweg verwiesen
Nach Angaben der Pressesprecherin der Generalstaatsanwaltschaft wurde das Verfahren gegen den Twitter-Nutzer im März 2022 nach §§ 374 Abs. 1 Nr. 2, 376 StPO i.V.m. Nr. 86 Abs. 2, 229 Abs. 1 RiStBV eingestellt. Danach wird bei Privatklagedelikten wie der Beleidigung nur bei Vorliegen eines öffentlichen Interesses öffentlich Anklage erhoben. Ein öffentliches Interesse wird nach den Vorgaben der Richtlinien für das Strafverfahren und das Bußgeldverfahren (RiStBV) in der Regel vorliegen, wenn der Rechtsfrieden über den Lebenskreis des Verletzen hinaus gestört und die Strafverfolgung ein gegenwärtiges Anliegen der Allgemeinheit ist.
Ein solches Anliegen der Allgemeinheit nahm die Generalstaatsanwaltschaft bei der Bezeichnung des Politikers als "1 Pimmel" offenbar nicht an. Daher kann Grote als Geschädigter nur im Wege des Privatklageverfahrens gegen den Twitter-Nutzer vorgehen, um eine strafrechtliche Verurteilung zu erreichen. Im Regelfall ist ein Verfahren allerdings mit dem Verweis auf den Privatklageweg beendet, da dieses mit erheblichem Kosten- und Zeitaufwand verbunden ist.
Weitere Ermittlungsverfahren im Zusammenhang mit dem Pimmelgate
Mittlerweile sieht es so aus, als ob Grote mit seinem Strafantrag dem Pimmelgate eine noch größere Bühne geschaffen hat. So sind in Hamburgs Innenstadt trotz etlicher Entfernungsversuche der Polizei immer neue Sticker, Plakate und Graffitis zu finden, die noch lange an den Tweet erinnern werden.
Nach eigenen Angaben werden bei der Staatsanwaltschaft Hamburg weitere Verfahren geführt, die im Zusammenhang mit dem Pimmelgate stehen. Mangels statistischer Erfassung sei eine Auskunftserteilung zur Anzahl und zu den jeweiligen Tatvorwürfen jedoch nicht möglich.
ku/LTO-Redaktion
Mit Material der dpa
Keine öffentliche Anklage im Streit ums "Pimmelgate": . In: Legal Tribune Online, 02.08.2022 , https://www.lto.de/persistent/a_id/49212 (abgerufen am: 16.11.2024 )
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