Erreicht die Tierschutzpartei bei der Brandenburg-Wahl mehr als zwei Prozent, muss ihr Ergebnis separat dargestellt werden. Ein Sammelsurium unter "Andere" reicht laut OVG Berlin-Brandenburg nicht aus. Anders sah es dann das BVerfG.
Während die Aufmerksamkeit bei den brandenburgischen Landtagswahlen vor allem den Ampel-Parteien und der AfD gilt, bemühen sich kleinere Parteien wie die Mensch, Umwelt, Tierschutzpartei (Tierschutzpartei), in der öffentlichen Wahrnehmung nicht unterzugehen – mit Erfolg.
Sollte die Tierschutzpartei am kommenden Sonntag mehr als zwei Prozent der Wählerstimmen erreichen, muss der Rundfunk Berlin-Brandenburg (RBB) das Wahlergebnis gesondert ausweisen. Eine Ergebnisrepräsentation unter der Rubrik "Andere" genügt nicht, entschied zuächst das Oberverwaltungsgericht (OVG) Berlin-Brandenburg. Damit gab es einer Beschwerde der Tierschutzpartei statt (Beschl. v. 18.09.2024, Az. OVG 3 S 109/24).
Der RBB begründete die zusammenfassende Darstellung der Wahlergebnisse mit der verfassungsrechtlich geschützten Rundfunkfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 S. 2 Grundgesetz (GG) und der ihm deshalb zustehenden redaktionellen Gestaltungsfreiheit. Das genüge allerdings nicht, fand das OVG.
Die Sache mit der Chancengleichheit
In diesem Zusammenhang kommt das Recht auf Chancengleichheit im politischen Wettbewerb aus Art. 21 Abs. 1 S. 1 GG zum Tragen. Es soll politischen Parteien, die nicht vom Bundesverfassungsgericht (BVerfG) verboten sind, einen fairen Zugang zur öffentlichen Wahrnehmung sichern. Mit dem Prinzip der abgestuften Chancengleichheit wird berücksichtigt, dass die Relevanz einer Partei die Art und Weise beeinflusst, wie sie in den Medien präsentiert wird. Folglich haben nicht alle Parteien die gleichen Ansprüche auf öffentliche Präsenz, was auch das OVG in seinem Urteil festhielt.
Das Gericht stellte fest, dass der Tierschutzpartei lediglich ein Anspruch auf eine abgestufte Chancengleichheit zusteht, die ihrer Bedeutung entspricht. Dennoch sei die Darstellung des individuellen Wahlergebnisses einer Partei in der Fernsehberichterstattung für deren öffentliche Wahrnehmung von großer Bedeutung – insbesondere für kleinere Parteien, die die Fünf-Prozent-Hürde nicht überschreiten, betonte das OVG. Im Vergleich dazu bewertete das Gericht den Eingriff in die redaktionelle Gestaltungsfreiheit des RBB als gering. Daher überwogen die Interessen der Tierschutzpartei an einer stärkeren medialen Präsenz.
Im vergangenen Jahr war die Tierschutzpartei mit einem vergleichbaren Eilantrag vor dem BVerfG noch erfolglos. Damals wollte sie allerdings erreichen, dass ARD und ZDF die Ergebnisse der Kleinstparteien bei den Landtagswahlen in Hessen und Bayern schon bei einem Wahlergebnis von mindestens einem Prozent der Stimmen ausweisen müssen. Das BVerfG hielt den Antrag allerdings bereits für unzulässig, LTO berichtete.
Auch das OVG Berlin-Brandenburg hat sich in diesem Jahr schon mit der Wahlberichterstattung des RBB beschäftigt. Erst vergangene Woche entschied es, dass die FDP zu irrelevant sei, um zu einer Wahlkampfsendung des RBB eingeladen zu werden.
BVerfG gibt rbb Recht
Der rbb wollte die Entscheidung allerdings nicht hinnehmen und zog per Eilantrag vor das Bundesverfassungsgericht (BVerfG). Dort erhielt der Sender am Samstag vor der Wahl in einer Folgenabwägung Recht (Beschluss vom 21.09.2023 - 1 BvQ 57/24). In einer Folgenabwägung prüft das Gericht, welche Konsequenzen eintreten würden, wenn die beantragte einstweilige Anordnung nicht erlassen wird, aber die Verfassungsbeschwerde später im Hauptsacheverfahren erfolgreich wäre – und umgekehrt, welche Folgen es hätte, wenn die Anordnung erlassen wird, aber die Verfassungsbeschwerde später abgewiesen würde.
Das BVerfG entschied, dass die Nachteile für den rBB schwerwiegender wären, wenn die Anordnung nicht ausgesetzt würde. Die Anordnung des Oberverwaltungsgerichts greife in die redaktionelle Gestaltungsfreiheit des Senders ein und würde die Programmgestaltung unverhältnismäßig beeinflussen. Die Programmfreiheit als Kern der Rundfunkfreiheit verbiete jede fremde Einflussnahme auf Auswahl, Inhalt und Ausgestaltung der Programme, so das BVerfG. Die Präsentation von Wahlergebnissen sei Teil des journalistischen Konzepts.
Die Nachteile für die Tierschutzpartei, in der Berichterstattung über die Wahlergebnisse am Wahltag nicht repräsentiert zu werden, wögen demgegenüber geringer, so das BVerfG. Dass die Tierschutzpartei nicht gesondert genannt werde, habe kein erhebliches Gewicht für ihre künftigen Wahlchancen.
Eine abschließende rechtliche Klärung in einem Hauptsacheverfahren steht noch aus. Die eindeutige Positionierung des BVerfG deutet allerdings darauf hin, dass auch hier der rBB obsiegen wird.
xp/fz/LTO-Redaktion
* Redaktionell überarbeitet am 24.9
Bei mehr als zwei Prozent der Wählerstimmen: . In: Legal Tribune Online, 20.09.2024 , https://www.lto.de/persistent/a_id/55462 (abgerufen am: 21.11.2024 )
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