Im Fall VW haben die Verbraucherzentralen für Zehntausende Diesel-Fahrer Entschädigungen erkämpft. Jetzt nehmen sie mit Daimler den nächsten Autobauer ins Visier.
Verbraucherschützer wollen Schadensersatz für vom Diesel-Skandal betroffene Mercedes-Kunden erstreiten. Der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) habe deshalb vor dem Oberlandesgericht (OLG) Stuttgart eine Musterfeststellungsklage gegen den Autobauer Daimler erhoben, sagte Vorstand Klaus Müller am Mittwoch in Berlin. Die Verbraucherschützer werfen Daimler eine bewusste Manipulation der Abgaswerte vor.
Die Stuttgarter haben nach Auffassung des Kraftfahrt-Bundesamts (KBA) in Hunderttausenden Diesel-Fahrzeugen ihrer Stammmarke Mercedes-Benz eine unzulässige Abgastechnik verwendet. Der Autobauer musste daher massenweise Autos zurückrufen. Daimler hält die Funktionen allerdings für zulässig. "Trotz behördlicher Rückrufe bestreitet die Daimler AG bis heute, gezielt die Abgaswerte ihrer Fahrzeuge manipuliert zu haben", sagte Müller. Das Gericht solle dies nun feststellen und den Verbrauchern Rechtsklarheit geben.
Die Verbraucherschützer werfen Daimler im Kern vor, in seine betroffenen Dieselautos unterschiedliche Abschalteinrichtungen eingebaut zu haben. Damit können Hersteller dafür sorgen, dass Autos während der Typengenehmigung die zulässigen Grenzwerte für Abgase einhalten. Im Straßenverkehr überschreiten sie diese dann aber teils deutlich.
Klage umfasst 50.000 GLC- und GLK-Modelle
Daimler teilte auf Anfrage mit, man halte die geltend gemachten Ansprüche für unbegründet, man werde sich weiter dagegen zur Wehr setzen - auch im Rahmen einer Musterfeststellungsklage. Durch eine solche könnten allerdings "wichtige Rechtsfragen effizienter geklärt werden, was wir grundsätzlich begrüßen", hieß es.
Laut vzbv sind in Deutschland rund 254.000 Daimler-Fahrzeuge von den behördlichen Rückrufen betroffen. In seiner Musterklage fokussiert sich der Verband aber auf einen bestimmten Motortyp (OM651). Damit könnten sich die Besitzer von nahezu 50.000 Mercedes GLC- und GLK-Modellen anschließen, denen ohne ein Softwareupdate die Stilllegung drohe. Die Musterfeststellungsklage soll vor allem den Weg zum Schadensersatz erleichtern. Denn die Autos wurden bereits 2018 zurückgerufen, den Fällen droht Ende des Jahres die Verjährung. Das können Daimler-Kunden verhindern, wenn sie sich der Klage anschließen.
Eine ähnliche Musterfeststellungsklage hatte der vzbv 2018 gegen Volkswagen eingereicht. Anfang 2020 einigten sich Verbraucherschützer und die Wolfsburger auf einen Vergleich, den rund 245.000 Kunden akzeptierten. VW zahlte ihnen je nach Alter und Typ des Fahrzeugs zwischen 1.350 und 6.250 Euro.
Kurz darauf entschied der Bundesgerichtshof, dass VW seine Kunden systematisch getäuscht hat: Hätten sie gewusst, dass die Diesel-Autos mit einem bestimmten Motor viel mehr Schadstoffe ausstießen als auf dem Prüfstand messbar, hätten sie sich vermutlich für ein anderes Fahrzeug entschieden. Der Konzern ist deshalb zu Schadensersatz verpflichtet. In den meisten Fällen bekamen Kläger das Recht, ihr Auto zurückzugeben, mussten sich allerdings die Nutzung anrechnen lassen. Viele einigten sich mit VW stattdessen auf eine Einmalzahlung und behielten das Auto.
Fall liegt anders als bei VW
Im Fall von Daimler gab es in der Vergangenheit schon eine ganze Reihe einzelner Schadensersatzklagen - mit unterschiedlichem Ausgang. Der Erfolg hänge davon ab, "wie die Betroffenen ihren Fall vor Gericht schildern", sagen die Verbraucherschützer. Juristische Klarheit darüber, ob Daimler nun vorsätzlich sittenwidrig gehandelt hat, herrscht weiterhin nicht. Deswegen wollen die Verbraucherschützer mit der Musterklage nun mehr Klarheit erzwingen.
Als Angriffspunkt sehen einige Kläger etwa das sogenannte "Thermofenster", das von Daimler und auch von anderen Herstellern standardmäßig eingesetzt wurde. Es ist Teil der Motorsteuerung und reduziert die Abgasreinigung, wenn draußen kühlere Temperaturen herrschen. Kläger sehen darin - wie bei VW - eine unzulässige Abschalteinrichtung. Im Fall von Daimler liegen die Dinge allerdings komplizierter. Ende Juni teilte der BGH im Zusammenhang mit einer solchen Klage mit, der Einsatz dieser Technik allein sei nicht als sittenwidrig einzustufen.
Dass das oberste Zivilgericht den Fall differenzierter als den Fall VW beurteilt, ist nicht neu. Es hatte sich im Januar schon zu Wort gemeldet, als aus angesetzten Verhandlungen nie etwas wurde - immer machten die Kläger einen Rückzieher. Damals hatte der Senat mitgeteilt, dass er bei Daimler bisher kein arglistiges Vorgehen erkennen könne. Das Thermofenster arbeite immer gleich, ob auf der Straße oder im Test. VW dagegen hatte in Millionen Diesel-Autos heimlich eine Software eingesetzt, die auf dem Prüfstand verschleierte, dass zu viele Schadstoffe ausgestoßen wurden.
dpa/acr/LTO-Redaktion
Diesel-Skandal: . In: Legal Tribune Online, 07.07.2021 , https://www.lto.de/persistent/a_id/45403 (abgerufen am: 24.11.2024 )
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