OLG Stuttgart: Bun­des­weit erste Mus­ter­fest­stel­lungs­klage unzu­lässig

20.03.2019

Die erste Iteration der im vergangenen Jahr neu geschaffenen Musterfeststellungsklage ist gescheitert. Der klagende Verein ist keine "qualifizierte Einrichtung", entschied das OLG Stuttgart.
 

Im vergangenen Jahr war sie als eines der wichtigsten Verbraucherschutzprojekte in der Amtszeit von Bundesjustizministerin Katarina Barley auf den Weg gebracht worden, nun hat die Musterfeststellungsklage (MFK) ihren Weg an die Gerichte gefunden. Doch der bundesweit erste Versuch ist gescheitert: Das Oberlandesgericht (OLG) Stuttgart wies die Klage des Vereins "Schutzgemeinschaft für Bankkunden" als unzulässig zurück (Urt. v. 20.03.2019, Az. 6 MK 1/18).

Die MFK war vor allem als Instrument für geprellte Diesel-Kunden angedacht worden, ihre Einführung wird daher oft auch als "Lex VW" tituliert. Um die Verjährung zahlreicher Ansprüche von VW-Kunden zu verhindern, wurde sie in höchstem Tempo durch das Gesetzgebungsverfahren gepeitscht. Die Klage ermöglicht Musterprozesse gegen große Konzerne, die von einer "qualifizierten Einrichtung" durchgefochten werden, um Verbraucher-Ansprüche zu sichern. Das finanzielle Risiko eines solchen Prozesses liegt damit bei den klagenden Einrichtungen.

Erster Beklagter in einem solchen MFK-Verfahren war aber nun kein Autohersteller, sondern die Hausbank des Autobauers Mercedes Benz. Es ging dabei auch nicht um Ansprüche wegen manipulierter Diesel, sondern um den sogenannten Widerrufs-Joker. Damit gemeint ist die Möglichkeit für Verbraucher, sich aufgrund einer fehlerhaften Widerrufsbelehrung praktisch jederzeit von einem Darlehensvertrag lösen zu können. Ist die Belehrung nicht ordnungsgemäß erfolgt, beginnt auch die Frist für den Widerruf nicht zu laufen, ehe sie nachgeholt wurde. Auf dieser Grundlage wollte der klagende Verein für Kunden der Bank den Widerruf von Darlehensverträgen sichern. Er argumentierte, die obligatorischen Widerrufsinformationen seien nicht ordnungsgemäß erteilt worden.

Zweifel an Mitgliederzahl und Uneigennützigkeit

Doch zur Entscheidung über die tatsächlichen Ansprüche kam es gar nicht erst, denn die "Schutzgemeinschaft für Bankkunden", so das OLG, sei gar keine "qualifizierte Einrichtung" im Sinne von § 606 Zivilprozessordnung (ZPO), der die Musterfeststellungsklage regelt.

Ganz überraschend kommt dieses Verdikt nicht: Bereits in der Verhandlung im Januar hatte das Gericht deutliche Zweifel an Zulässigkeit wie Begründetheit der Klage angemeldet. Dabei stand die Frage im Raum, ob der Verein überhaupt über die erforderliche Mitgliederzahl verfügt. § 606 ZPO verlangt derer mindestens 350. Dass die Schutzgemeinschaft nur eine anonymisierte Liste ihrer Mitglieder vorgelegt habe, sei dabei gar nicht das größte Problem gewesen. Schädlich sei schon, dass es nur 150 Vollmitglieder und ansonsten lediglich "Internetmitglieder" gebe, sagte der Vorsitzende Richter Oliver Mosthaf. Die seien aber nicht viel mehr als Bezieher eines Newsletters gegen Bezahlung.

Außerdem dürfen die Vereine die MFK nicht aus eigenen Gewinnerzielungsinteressen betreiben, woran der 6. Zivilsenat in diesem Fall ebenfalls zweifelte.

OLG: Keine Politik vor Gericht

Das Gericht war bemüht, sich der stark politisierten Debatte um die MFK zu enthalten. So erklärte Mosthaf bei der Urteilsverkündung, dass es nicht Aufgabe des Gerichts sei, die politischen Diskussionen der letzten Jahre über den Kreis der zur Erhebung von Musterfeststellungsklagen berechtigten Einrichtungen fortzusetzen. Vielmehr sehe das Gesetz nun einmal strenge Voraussetzungen für die klageberechtigten Einrichtungen vor.

Doch auch ohne die so angestrengte MFK wird wohl bald in Stuttgart über das Widerrufsrecht von Mercedes-Bank-Kunden entschieden. Das Gericht teilte nämlich mit, eine Reihe individueller Klagen von Kunden sei bereits anhängig.

mam/LTO-Redaktion

Mit Materialien von dpa

Zitiervorschlag

OLG Stuttgart: . In: Legal Tribune Online, 20.03.2019 , https://www.lto.de/persistent/a_id/34475 (abgerufen am: 22.11.2024 )

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