Nach dem Tod einer geistig behinderten 15-Jährigen, die an Heiligabend 2009 wohl unbemerkt nusshaltige Schokolade genascht hatte und an einer allergischen Reaktion verstorben war, muss die private Unfallversicherung der Mutter des Kindes nun 27.000 Euro zahlen. Dies entschied der Augsburger Senat des OLG am Donnerstag.
Nach Auffassung des Oberlandesgerichts (OLG) stellt das versehentliche bzw. unbewusste Verzehren von Allergenen zusammen mit anderen Nahrungsstoffen im Privatversicherungsrecht einen versicherten Unfall dar (Urt. v. 01.03.2012, Az. 14 U 2523/11).
Die Mutter des Kindes, die eine private Unfallversicherung abgeschlossen hatte, bei der das Kind mitversichert war, machte nach dem Tod der Tochter gegenüber der Versicherung einen Betrag von 27.000 Euro geltend. Diesen Betrag schuldet die Versicherung für den Fall eines Unfalltodes den gesetzlichen Erben. Die Versicherung weigerte sich zu zahlen. Sie war der Ansicht, dass die Todesursache nicht geklärt sei und im übrigen auch kein Unfall vorliege.
Das Landgericht Memmingen hatte die Klage der Mutter auf die Versicherungssumme abgewiesen, da die hochallergische Reaktion als Todesursache jedenfalls nicht unter den Unfallbegriff falle. Ein willensgesteuerter normaler Verzehr von Vollmilchschokolade sei kein von außen auf den Körper wirkendes Ereignis.
Diese Entscheidung hoben die Augsburger Richter nun auf. Nach Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens stand für den Senat fest, dass der Tod des Kindes mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit Folge einer allergischen Reaktion auf Nahrungsmittel war, wobei sehr vieles für eine Haselnussallergie sprach, letztlich aber nicht entscheidungserheblich war, welches Nahrungsmittel die fatalen Folgen auslöste. Mit großer Sicherheit hatte das Kind unbemerkt Schokoladetäfelchen von dem gedeckten Weihnachtstisch gegessen, die möglicherweise Nussbestandteile beinhalteten.
Das Erfordernis des von außen auf den Körper einwirkenden Ereignisses diene der Abgrenzung zu dem nur inneren Körpervorgang, so die Richter. Das Merkmal der Unfreiwilligkeit beziehe sich nicht auf die Einwirkung von außen, sondern auf die dadurch bewirkte Gesundheitsschädigung. Das maßgebliche Ereignis, welches hier die erste Gesundheitsschädigung unmittelbar ausgelöst habe, war das Aufeinandertreffen nusshaltiger Schokolade auf die Mundschleimhaut des Kindes. Diese wirkte von außen ein. Da die gesundheitsschädigende Einwirkung der Allergene auf den Körper des Kindes unfreiwillig und plötzlich, nämlich unerwartet innerhalb eines kurzen Zeitraums erfolgte, liege nach der Definition des § 178 Abs. 2 Versicherungsvertragsgesetz (VVG) ein Unfallgeschehen vor.
tko/LTO-Redaktion
OLG München zum Versicherungsrecht: . In: Legal Tribune Online, 02.03.2012 , https://www.lto.de/persistent/a_id/5681 (abgerufen am: 22.11.2024 )
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