OLG reduziert Schmerzensgeld: 71.000 Euro nach HIV-Infek­tion

08.02.2017

Weil sie von einem Mann über dessen HIV-Infektion belogen und angesteckt wurde, bekam eine Frau vor dem OLG München ein Schmerzensgeld zugesprochen. Der Erkrankte ließ derweil über seine Anwältin an der Existenz des Virus zweifeln.

Eine Frau forderte vor dem Geschlechtsverkehr die Durchführung eines HIV-Tests von ihrem neuen Freund, da dessen Ex-Freundin an einer Immunschwäche gestorben war. Der Mann belog sie aber über seine Infektion, steckt sie schließlich an und muss nun nach einem Urteil des Oberlandesgerichts (OLG) München vom Mittwoch zahlen. Die Richter sprachen der Frau ein Schmerzensgeld in Höhe von 71.000 Euro zu (Urt. v. 08.02.2017, Az.: 20 U 2486).

Dabei blieb man jedoch hinter dem Beitrag aus dem Urteil des Landgerichts in der ersten Instanz zurück, welches der Klägerin einen Betrag von 110.000 Euro zugebilligt hatte und damit schon unter ihrer Forderung von 160.000 Euro geblieben war. Bei der nun festgelegten Summe bleibt es aber möglicherweise nicht: Der Beklagte muss für eventuelle materielle und immaterielle Schäden, die der Frau künftig entstehen, zu zwei Dritteln ebenfalls aufkommen. Die Revision wurde nicht zugelassen.

Nachdem die 60-jährige Frau den Beklagten kennengelernt hatte, forderte sie von ihm einen Test auf das HI-Virus, bevor sie mit ihm schlafen wollte. Der Mann unterzog sich aber nur einem allgemeinen Gesundheitscheck und erklärte ihr gegenüber, es sei bei ihm alles in Ordnung.

Anspruch wegen eigenverantwortlicher Selbstgefährdung gemindert

Damit habe er sich schadensersatzpflichtig gemacht, erklärt dazu der Berliner Anwalt für Medizinrecht, Volker Loeschner. "Im Grunde genommen hat die Person, die von einer HIV-Infektion Kenntnis hat, eine Aufklärungs- und Offenbarungspflicht." Zwar könne jeder selbst entscheiden, ob er einen HIV-Test machen wolle oder nicht. Einen Sexualpartner über die Erkrankung täuschen dürfe man aber nicht. Dies stelle eine Sorgfaltspflichtverletzung dar.

Grund für die Senkung des zugesprochenen Schmerzensgeldes war der Zeitpunkt der Infektion: Nach Ansicht eines sachverständigen Arztes geschah das wahrscheinlich nicht gleich beim ersten Geschlechtsverkehr, sondern erst später.

Deshalb, so die Ansicht der Richter, hätten der Frau in diesem Zeitraum zwischenzeitlich Zweifel an der Auskunft des Mannes über seinen Gesundheitszustand kommen können. Somit stelle sich ihr Verhalten als eigenverantwortliche Selbstgefährdung dar, welche ihren Anspruch mindere.

Beklagter zweifelt an Existenz des HI-Virus

Einen traurigen Höhepunkt der Verhandlung bot unterdessen die Einlassung des Beklagten, der die Existenz des HI-Virus, Auslöser der Aids-Krankheit, welche laut dem gemeinsamen Programm der Vereinten Nationen zu HIV/AIDS (UNAIDS) allein im Jahr 2015 1,1 Millionen Menschen weltweit das Leben kostete, anzweifelte.

Sogar seine Anwältin sah sich zu einer Entschuldigung bei den Prozessbeteiligten genötigt, als sie in Abwesenheit ihres Mandanten die Ausführungen einer Ärztin vorlesen musste, wonach das HI-Virus nicht existiere und somit auch nicht der Grund für die Aids-Krankheit sein könne.

Fälle von HIV-Infektionen beschäftigen die Justiz immer wieder. Nach Angaben der Deutschen Aids-Hilfe gab es seit 1987 in Deutschland aus diesem Grund 50 Strafprozesse, zivile Streitigkeiten seien dagegen seltener.

dpa/mam/LTO-Redaktion 

Zitiervorschlag

OLG reduziert Schmerzensgeld: . In: Legal Tribune Online, 08.02.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/22033 (abgerufen am: 24.11.2024 )

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