Vordergründig geht es um das Wort "gesund", in Wahrheit ums Geld. Die deutsche Mineralwasserindustrie zieht gegen kommunale Trinkwasserversorger vor Gericht, weil sie sich benachteiligt sieht.
In einem Prozess mit Signalwirkung sind die deutschen Mineralwasserabfüller vorerst mit dem Versuch gescheitert, 16 niederbayerischen Gemeinden die Eigenwerbung für ihr "gesundes" Leitungswasser zu verbieten. Das Oberlandesgericht (OLG) München hob am Donnerstag eine einstweilige Verfügung auf, die dem Wasserzweckverband Rottenburger Gruppe einen Artikel über "unser gesundes Wasser" auf seiner Internetseite untersagt hatte. Die Münchner Richter sehen weder einen Verstoß gegen das Wettbewerbsrecht noch gegen europäisches Recht. Geklagt hatte der Verband Deutscher Mineralbrunnen, der knapp 200 Unternehmen vertritt.
Der 29. Senat gab dem Leitungswasser-Anbieter Recht: Die Trinkwasserversorgung gehört zur Daseinsvorsorge, die Kommunen sind damit hoheitlich tätig, wie der Vorsitzende Richter Andreas Müller ausführte. Wenn die Kommunen den gesetzlichen Auftrag zur Trinkwasserversorgung haben, "dann kann die Tätigkeit der öffentlichen Hand auch nicht durch das Wettbewerbsrecht überprüft werden", sagte Müller.
Ohnehin geht es den 16 Gemeinden nach Einschätzung der Richter nicht um kommerzielle Interessen: "Es geht der Antragsgegnerin ersichtlich nicht darum, den Absatz ihres Trinkwassers zu steigern", sagte Müller - die Antragsgegnerin ist der Wasserzweckverband. Und einen Verstoß gegen die EU-Verordnung sieht das OLG München ebenfalls nicht, weil der Artikel über das gesunde Wasser demnach keine Werbeaussage darstellt.
Handfeste geschäftliche Interessen
Das Wort "gesund" steht zwar im Vordergrund des Verfahrens, doch tatsächlich geht es um handfeste geschäftliche Interessen. Laut Verband trank jeder Einwohner Deutschlands 2019 knapp 142 Liter Mineralwasser. Die EU-Verordnung zu Gesundheitsbehauptungen erlaubt Werbung mit dem Begriff "gesund" nur, wenn die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit das wissenschaftlich anerkannt hat. Damit will die EU irreführender Reklame mit angeblich gesunden Produkten einen Riegel vorschieben.
Die Mineralwasserabfüller sehen sich fundamental benachteiligt, wenn Kommunen ihr Trinkwasser als gesund oder mineralstoffreich anpreisen dürfen, die Unternehmen jedoch nicht. "Das ist für die Mineralwasserindustrie existenziell wichtig", sagte Klägeranwältin Imke Memmler in der mündlichen Verhandlung. Andere Wasserversorger hätten Abmahnungen akzeptiert.
Rottenburg im Tal der Laaber ist überregional im Freistaat bislang allenfalls als Heimat von Vizeministerpräsident Hubert Aiwanger (Freie Wähler) bekannt. Nun sieht es so aus, dass der
Wasserzweckverband in der ländlichen Kommune mit seinem Widerstand gegen die einstweilige Verfügung einen Prozess von bundesweiter Bedeutung für Kommunen und Mineralwasserbranche führt.
Hauptsacheverfahren steht noch aus
Die Mineralwasserbrunnen sehen sich jedoch sehr wohl im Wettbewerb mit den Kommunen. Die Verbraucher stellten sich die Frage: "Was trinke ich denn jetzt", wie die Anwältin des Mineralwasserverbands sagte. "Warum soll ich dann noch Mineralwasser kaufen, wenn das Leitungswasser genauso gut ist?" Auch kommunale Trinkwasserversorger seien Lebensmittelunternehmer. "Das ist eine kommerzielle Mitteilung eines Lebensmittelunternehmers", sagte die Juristin zu dem umstrittenen Artikel über "gesundes Wasser" auf der Rottenburger Internetseite.
Das letzte Wort in dem Rechtsstreit ist mutmaßlich noch nicht gesprochen. In der Entscheidung ging es um die einstweilige Verfügung, das Hauptsacheverfahren steht noch aus. Der Mineralwasserverband kann auch noch vor ein Verwaltungsgericht
ziehen.
dpa/vbr/LTO-Redaktion
OLG München: Mineralwasser verliert gegen Leitungswasser: . In: Legal Tribune Online, 07.05.2020 , https://www.lto.de/persistent/a_id/41549 (abgerufen am: 20.11.2024 )
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