36 Jahre nach Erscheinen des Spielfilms "Das Boot" erhält der Chefkamermann nun einen Nachschlag auf seine Vergütung. Angesichts der hohen Einnahmen durch die Vermarktung sei die vertragliche Vereinbarung nicht angemessen, so das OLG.
Pacta sunt servanda ist eine goldene Regel des Zivilrechts. Doch mitunter reicht das im Vertrag Versprochene nicht aus, um die eigene Schuld zu begleichen. So im Falle des Chefkameramanns bei der Produktion des Films "Das Boot", der vom Oberlandesgericht (OLG) München nun einen späten Vergütungsaufschlag zugestanden bekam (Urt. v. 21.12.2017, Az. 29 U 2619/16). Grund sind die hohen Einnahmen, die der Film Produktionsfirma und Verwertern bescherte.
Der Film, produziert 1980/81, gilt bis heute als eine der erfolgreichsten deutschen Produktionen aller Zeiten und verhalf seinem Regisseur Wolfgang Petersen ("Troja", "Der Sturm") zu einer steilen Karriere in Hollywood. Gezeigt wird das Schicksal einer deutschen U-Boot-Besatzung, die 1941 im Atlantik um ihr Überleben kämpft. "Das Boot" erntete Nominierungen für sechs Oscars - unter anderem für die beste Kamera -, einen Golden Globe und einen BAFTA-Award. Zudem gewann er zahlreiche deutsche Filmpreise und spielte nach Schätzungen bislang über 100 Millionen Dollar weltweit ein.
An diesem Erfolg sah sich der klagende Chefkameramann ("Director of Photography") Jost Vacano mit einer ursprünglich ausgehandelten Pauschalvergütung i. H. v. umgerechnet rund 100.000 Euro nur unzureichend beteiligt. Er argumentierte, angesichts seines Anteils am Erfolg der Produktion müsse er auch gebührend finanziell daran beteiligt werden.
"Fairness-Paragraph" ermöglicht Vertragsanpassung
In zwei parallelen Verfahren ging er dabei sowohl gegen acht ARD-Anstalten als Zweitverwerter, als auch gegen die Produktionsfirma Bavaria Film einschließlich einer Unternehmenstochter und den Westdeutschen Rundfunk (WDR) vor. In letzterem Verfahren, in welchem nun entschieden wurde, erstritt er vor dem Landgericht (LG) München in erster Instanz bereits über 470.000 Euro an weiterer Vergütung. Vorausgegangen war zunächst eine Klage auf Auskunft über die Einnahmen aus dem Film, die demnach allein von 1995 bis 2013 mehr als 40 Millionen Euro betrugen.
Möglich macht dies der sogenannte "Fairness-Paragraph": Nach § 32 Urheberrechtsgesetz (UrhG) kann der Urheber eines Werkes, wenn die für die Einräumung seiner Rechte vereinbarte Vergütung nicht angemessen ist, nachträglich eine Änderung des Vertrags zu seinen Gunsten verlangen. Angemessen ist die Vergütung laut der Norm, "wenn sie im Zeitpunkt des Vertragsschlusses dem entspricht, was im Geschäftsverkehr nach Art und Umfang der eingeräumten Nutzungsmöglichkeit, insbesondere nach Dauer, Häufigkeit, Ausmaß und Zeitpunkt der Nutzung, unter Berücksichtigung aller Umstände üblicher- und redlicherweise zu leisten ist".
Die 2002 eingefügte Norm sollte die Rechte von Urhebern stärken, die mitunter im Verhältnis absurd geringe Honorare erhalten, wenn sich ein Werk im Nachhinein als großer Erfolg heraustellt und dies bei Vertragsunterschrift nicht absehbar war. Allerdings bewährte sie sich nicht. Auch aufgrund wenig konkreter Rechtsprechung gelangen nur selten Prozesserfolge und etwaige Ansprüche wurden aus Sorge um die Karriere meist nur von lebensälteren Künstlern überhaupt eingefordert. Vacano, inzwischen 83 Jahre alt, tat dies und hatte damit nun auch vor dem OLG München Erfolg.
Wie schon die Vorinstanz bejahten die Richter ein auffälliges Missverhältnis zwischen der Vergütung und dem Erfolg des Filmes. Aus diesem Grund stünden Vacano nachträglich Honorare in Höhe von rund 348.000 Euro gegen die Bavaria Film und rund 90.000 Euro gegen den WDR, also insgesamt rund 438.000 Euro zu. Hinzu kämen seit Rechtshängigkeit der Klage aufgelaufene Zinsen in Höhe von etwa 150.000 Euro, die das LG noch verneint hatte. Ebenso billigte man Vacano ein Anspruch auf eine Beteiligung an künftigen Erlösen in Höhe von jeweils 2,25 Prozent der Nettoerlöse und Wiederholungsvergütungen für weitere Fernsehausstrahlungen zu.
mam/LTO-Redaktion
OLG billigt nachträgliche Vergütung zu: . In: Legal Tribune Online, 21.12.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/26147 (abgerufen am: 24.11.2024 )
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