Durch "Multikulti"-Politik hätten Leute wie Claudia Roth in der Silvesternacht in Köln im übertragenen Sinne "mitvergewaltigt", meint AfD-Politiker Markus Frohnmaier. Das ist keine unzulässige Schmähkritik, entschied nun das OLG Köln.
Das Oberlandesgericht (OLG) Köln hat die sofortige Beschwerde der Bundestags-Vizepräsidentin Claudia Roth gegen den Beschluss des Landgerichts (LG) Köln abgewiesen (Beschl. v. 07.04.2016, Az. 15 W 14/16). Wie die Vorinstanz gestattet das OLG dem AfD-Politiker Markus Frohnmaier, unter anderem Roth wegen ihrer Politik "Mitvergewaltigung" im übertragenden Sinne während der Kölner Silvesternacht vorzuwerfen.
In dem Rechtsstreit ging es um Frohnmaiers Aussage im ARD-Magazin Kontraste vom 21. Januar dieses Jahres. Der 25-Jährige, der seit 2015 Bundesvorsitzender der Jungen Alternative für Deutschland ist und sich von der Kölner Medienrechtskanzlei Höcker Rechtsanwälte vertreten lässt, sagte dort: "Wer immer wieder mantrahaft wiederholt, dass Multikulti funktioniert und glaubt, das sei nur die sorgenfreie Wahl zwischen Ente süß-sauer und Falafel, der ist schuld, was an diesem Abend passiert ist. Meiner Meinung nach haben Leute wie Claudia Roth hier mittelbar mitvergewaltigt […], nicht im juristischen Sinne, aber im übertragenen Sinne."
Roth begehrte daraufhin vor dem LG Köln, Frohnmaier die Äußerung des Zitatteils "Meiner Meinung nach haben Leute wie Claudia Roth hier mittelbar mitvergewaltigt." durch einstweilige Verfügung zu untersagen. Das LG sah die Aussage aber als von der Meinungsfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 Grundgesetz gedeckt an (Beschl. v. 29.02.2016, Az. 28 O 43/16).
Polemisch-provokant und überspitzt, aber sachbezogen
Dieser Ansicht schlossen sich nun auch die Richter am OLG an. Man teile die Ansicht der ersten Instanz, dass die Äußerung Frohnmaiers zwar polemisch-provokant und überspitzt formuliert sei, so der Senat in dem LTO vorliegenden Beschluss. In Anbetracht des Gesamtkontexts, dass sich der AfD-Politiker als Landtagskandidat und Mitglied des Landesvorstands zu dem äußerst kontrovers diskutierten Thema der einreisenden Flüchtlinge im Licht der Ereignisse der Kölner Silvesternacht äußerte, sei seine Aussage aber noch sachbezogen und überschreite nicht die Grenze zur Schmähkritik.
Insbesondere unter Berücksichtigung seiner Klarstellung, dass seine Äußerung nicht im juristischen, sondern im übertragenen Sinne gemeint sei, stehe nicht die persönliche Diffamierung Roths im Vordergrund.
Es sei nicht sein primäres Ziel, die von der Berliner Kanzlei Schertz Bergmann Rechtsanwälte vertretene Grünen-Politikerin mit schweren Straftaten in Verbindung zu bringen und damit als Hass-Figur für rechtskonservative Wählerkreise zu inszenieren, so der Senat. Frohnmaier habe seine Äußerung gerade nicht nur auf Roth bezogen, sondern von "Leute(n) wie" ihr gesprochen und sie damit als eine Vertreterin der von ihm als falsch kritisierten Auffassung benannt. Darin liege keine sein sachliches Anliegen verdrängende persönliche Kränkung der 60-Jährigen, mit der er ihr provokativ und absichtlich verletzend jeden Achtungsansprüch abspreche.
Schwere sexuelle Übergriffe auch im Januar schon bekannt
Auch Roths Vorwurf fehlender Anknüpfungstatsachen für das sachliche Anliegen des AfD-Politikers teilt das OLG nicht. Dass erst drei Wochen nach der Ausstrahlung der Kontraste-Folge zwei Strafanzeigen wegen Vergewaltigung bekannt geworden, bei denen ein Zusammenhang mit der Flüchtlingskrise oder Bürgern mit Migrationshintergrund zudem nicht ersichtlich sei, ändere nichts an der Zulässigkeit von dessen Äußerung.
"Unstreitig ist es bereits in der Silvesternacht zu einer Vielzahl von Strafanzeigen [...] auch wegen sexueller Übergriffe gekommen, bei denen die Beschuldigten zu einem nicht unerheblichen Teil Flüchtlingen waren", heißt es in dem Beschluss.
Auch als Frohnmaier seine Äußerung in der ARD tätigte, seien zahlreiche Anzeigen wegen zum Teil erheblicher sexueller Übergriffe bekannt gewesen. Einen in diesem Kontext relevanten Unterschied zwischen sexueller Nötigung und Vergewaltigung sieht der Senat dabei nicht, zumal der AfD-Politiker seine Äußerung eben gerade nicht im juristischen, sondern im übertragenden Sinne gemeint habe. Und die "plakativ-überspitzte, vergröbernde Darstellung des tatsächlichen Hintergrunds" sei "auch aus Sicht eines Durchschnittsrezipienten gerade im Zusammenhang mit der übrigen plakativen Wortwahl ('Multikulti' als vermeintlich 'sorgenfreie Wahl zwischen Ente süß-sauer und Falafel') entsprechend zu verstehen gewesen.
Marcel Schneider, OLG Köln erlaubt Aussage von AfD-Politiker zur Kölner Silvesternacht: . In: Legal Tribune Online, 11.04.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/19034 (abgerufen am: 21.11.2024 )
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