OLG Karlsruhe zur Festnahme durch Polizeihund: Bitte nur ein Biss

02.07.2015

Der Biss-Exzess durch einen Polizeihund sei eine zumindest fahrlässige Amtspflichtverletzung. Ein polizeilicher Hundeführer müsse dafür sorgen, dass es bei einem einzelnen, der Festnahme dienenden Biss bleibt, entschied das OLG Karlsruhe.

Eine Vielzahl von Bissen durch einen Polizeihund bei einer Festnahme ist eine zumindest fahrlässige Amtspflichtverletzung. Das hat das Oberlandesgericht (OLG) Karlsruhe in einem jetzt veröffentlichten Urteil entschieden (Urt. v. 18.06.2015, Az. 9 U 23/14).

Der Hundeführer sei verpflichtet gewesen, dafür zu sorgen, dass es – jedenfalls - bei einem einzelnen, der Festnahme dienenden Biss bleibt. Der polizeiliche Hundeführer müsse den Hund auch in einer Festnahmesituation so beherrschen und kontrollieren, dass ein willkürliches Beißen des Hundes ausgeschlossen sei.

Der unter anderem für Amtshaftung zuständige 9. Zivilsenat des OLG ordnete die Situation damit anders ein, als zuvor das Landgericht (LG), das eine Amtspflichtverletzung nicht angenommen hatte. Geklagt hatte ein Jugendlicher, vertreten durch seine Eltern. Er hatte vom Land Baden-Württemberg Schmerzensgeld und Schadensersatz gefordert.

Zahlreiche Bissverletzungen

Der damals 14-jährige Kläger war im November 2012 gegen 23 Uhr auf dem Seeparkgelände in Freiburg in eine Fahndung der Polizei nach einem Raubüberfall geraten. Der Kläger und einige andere Jugendliche waren davon gerannt, als sie die Polizeifahrzeuge sahen, um einer polizeilichen Kontrolle zu entgehen. Aufgrund dieses verdächtigen Verhaltens hatte sich die Polizei zur Festnahme der Flüchtenden unter Einsatz eines Diensthundes entschlossen. Der von der Leine gelassene Diensthund stürzte sich auf den Kläger und fügte ihm zahlreiche Bissverletzungen an beiden Unterarmen, am rechten Oberarm, am Rücken und an den Beinen zu.

Nach der Festnahme stellte sich jedoch heraus, dass der Kläger mit dem vorausgegangenen Raub nichts zu tun hatte. Der Jugendliche konnte aufgrund der Verletzungen mehrere Tage seine Hände nicht benutzen, über mehrere Wochen war eine Wundversorgung erforderlich.

Landgericht sah Mitverschulden

Bereits das LG hatte dem Kläger Schadensersatz und Schmerzensgeld zugesprochen, war aber nicht von einer Amtspflichtverletzung des Diensthundeführers ausgegangen und hatte auch ein Mitverschulden des zum Zeitpunkt des Vorfalls alkoholisierten Klägers angenommen.

Das OLG bestätigte die landgerichtliche Entscheidung nur im Ergebnis. Zwar seien die Polizeibeamten damals berechtigt gewesen, den Jugendlichen vorläufig festzunehmen, denn zunächst habe der Verdacht einer Straftat gegen den Jugendlichen bestanden. Jedoch habe der Hundeeinsatz nicht den gesetzlichen Voraussetzungen der Anwendung des sogenannten unmittelbaren Zwangs entsprochen. Für die Vielzahl der Bissverletzungen, die der Kläger erlitten habe, gebe es keinen nachvollziehbaren Grund. Das Ausmaß der Verletzungen sei unverhältnismäßig.

Es liege eine zumindest fahrlässige Amtspflichtverletzung des Polizeibeamten vor, für welche das Land Baden-Württemberg als Dienstherr einzustehen habe, so der Senat. Da das Land Baden-Württemberg aus diesem Grund zur Zahlung von 2.500 EUR Schadensersatz und Schmerzensgeld verpflichtet sei, komme es auf weitere Fragen zur Rechtmäßigkeit des Hundeeinsatzes nicht an.

tap/lto-Redaktion

Zitiervorschlag

OLG Karlsruhe zur Festnahme durch Polizeihund: . In: Legal Tribune Online, 02.07.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/16072 (abgerufen am: 18.11.2024 )

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