OLG Karlsruhe legt BGH vor: War die Vor­lage gefälschter Impf­pässe strafbar?

28.07.2022

Seit November 2021 ist es strafbar, einen gefälschten Impfpass in einer Apotheke vorzuzeigen. Ob das auch nach alter Rechtslage strafbar war, ist umstritten. Nun soll der BGH für Klarheit sorgen. 

Das Oberlandesgericht (OLG) Karlsruhe hat dem Bundesgerichtshof (BGH) die Frage zur Entscheidung vorgelegt, ob das Vorzeigen eines gefälschten Impfpasses in einer Apotheke bereits vor einer Änderung des Strafgesetzbuchs (StGB) zum 24. November 2021 strafbar gewesen ist (Beschl. v. 26.07.2022, Az. 2 Rv 21 Ss 262/22).

Hintergrund ist ein am OLG anhängiges Revisionsverfahren. Einem 32 Jahre alten Mann wird vorgeworfen, am 03. November 2021 in einer Apotheke einen gefälschten Impfpass vorgelegt zu haben. Dadurch wollte er eine doppelte Corona-Impfung vortäuschen, um ein digitales Impfzertifikat zu erhalten. Der Schwindel flog aber auf. Das Amtsgericht (AG) Lörrach verurteilte den Mann wegen Urkundenfälschung (§ 267 StGB) zu einer Geldstrafe von 40 Tagessätzen zu je 150 Euro. 

Seit dem 24. November 2021 ist ein solches Verhalten als Gebrauch eines unrichtigen Gesundheitszeugnisses – darum handelt es sich bei Impfausweisen - gem. § 279 StGB strafbar. Vor diesem Datum griff der § 279 StGB allerdings nur, wenn das unrichtige Gesundheitszeugnis gegenüber einer Behörde oder einer Versicherungsgesellschaft gebraucht wird. Die Vorlage gegenüber einer Apotheke war dagegen nicht erfasst. 

Sperrwirkung oder nicht?

Ob das Vorzeigen des gefälschten Impfpasses auch vor der Gesetzesänderung strafbar war, wird von den Gerichten unterschiedlich bewertet, weshalb der Wunsch nach einer höchstgerichtlichen Klärung bereits aufkam, wie LTO darlegte. Nach einer Ansicht ist eine Strafbarkeit wegen Urkundenfälschung ausgeschlossen. Die Sondervorschriften über Gesundheitszeugnisse entfalten nämlich eine Sperrwirkung, die der Annahme einer strafbaren Urkundenfälschung entgegenstehe. 

So sah das zuletzt auch das Bayerische Oberste Landesgericht (Beschl. v. 03.06.2022, Az. 207 StRR 155/22). § 279 StGB a.F. stelle eine umfassende Privilegierung im Falle des Umgangs mit gefälschten bzw. unrichtigen Gesundheitszeugnissen dar. Die Vorlage eines nachgemachten Impfpasses in einer Apotheke, die nicht gemäß § 279 StGB strafbar war, könne daher auch nicht als Urkundenfälschung gemäß § 267 StGB geahndet werden. Diese Auffassung hatten außerhalb von Revisionsverfahren bereits das Oberlandesgericht Bamberg sowie mehrere Landgerichte vertreten.

Das Hanseatische OLG Hamburg, das OLG Stuttgart, das OLG Schleswig und das OLG Celle hatten sich gegen eine Sperrwirkung ausgesprochen. Auch das OLG Karlsruhe sieht den Tatbestand der Urkundenfälschung als erfüllt an. Als Argumente dafür führt der 2. Strafsenat unter anderem den Gesetzeswortlaut, den Zweck der Strafnorm und die Systematik an.  

Entscheiden kann das OLG aber nicht. Da die Rechtslage bei den Oberlandesgerichten unterschiedlich bewertet wird, ist die Sache gemäß § 121 Abs. 2 Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) zunächst dem BGH vorzulegen. Dieser entscheidet dann, ob die Vorschriften über die unrichtigen Gesundheitszeugnisse eine Sperrwirkung entfalten und einer Verurteilung wegen Urkundenfälschung entgegenstehen, oder nicht. 

acr/LTO-Redaktion

Zitiervorschlag

OLG Karlsruhe legt BGH vor: . In: Legal Tribune Online, 28.07.2022 , https://www.lto.de/persistent/a_id/49179 (abgerufen am: 20.11.2024 )

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