Möchte jemand etwas im Internet bestellen und kann bei der Kontaktangabe nur zwischen "Frau" und "Mann" als Anrede wählen, ist das Diskriminierung, findet das OLG Karlsruhe. Entschädigung gibt's dafür aber nicht.
Eine Person nichtbinärer Geschlechtsidentität, die beim Online-Shopping nur zwischen den Anreden "Frau" oder "Herr" auswählen kann, wird unter Verstoß gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) benachteiligt und in ihrem Allgemeinen Persönlichkeitsrecht verletzt (Urt. v. 14.12.2021, Az. 24 U 19/21). Ein Anspruch auf Entschädigung besteht in solchen Fällen jedoch nicht, hat das Oberlandesgericht Karlsruhe (OLG) entschieden.
Eine Person, bei der in den Personenstandsdaten beim Standesamt "keine Angabe" unter der Rubrik "Geschlecht" eingetragen ist, hatte ein Bekleidungsunternehmen verklagt. Grund dafür war, dass sie beim Online-Shopping sowohl für die Registrierung als auch den Kauf zwischen den Anreden "Frau" oder "Herr" auswählen musste. Eine dritte Auswahl gab es zum damaligen Zeitpunkt nicht.
Die Person machte vor Gericht eine Entschädigung in Höhe von 2.500 Euro sowie einen Unterlassungsanspruch geltend. Damit hatte sie aber weder außergerichtlich noch vor dem Landgericht (LG) Heidelberg Erfolg.
Nicht jede Diskriminierung wird entschädigt
Das OLG ist nun in großen Teilen der Auffassung der Vorinstanz gefolgt. Wie schon das LG findet auch das OLG, dass zwar eine unmittelbare Benachteiligung des Geschlechts vorliegt, denn die klagende Person konnte – anders als eine Person mit männlichem oder weiblichem Geschlecht – den Kaufvorgang nicht abschließen, ohne faslche Angaben über ihr Geschlecht zu machen. Hierdurch werde auch das Allgemeines Persönlichkeitsrecht in Ausprägung des Schutzes der geschlechtlichen Identität verletzt. Trotz der Verletzung dieser Rechte könne die betroffene Person aber keine Ansprüche auf Unterlassung oder eine Entschädigung in Geld geltend gemacht machen.
Ein Anspruch auf Unterlassung bestehe wegen fehlender Wiederholungsgefahr nicht. Denn zwischenzeitlich habe das beklagte Unternehmen im Anredefeld neben den Bezeichnungen "Frau" und "Herr" die Auswahlmöglichkeit "Divers/keine Anrede" aufgenommen. Sie habe damit eine geschlechtsneutrale Anrede für die Zukunft sichergestellt.
Und auch ein Anspruch auf Zahlung einer Entschädigung in Geld steht der klagenden Person nach Auffassung des OLG nicht zu. Denn nicht jede Berührung des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts löse einen Anspruch auf Geldentschädigung aus. Es sei vielmehr erforderlich, dass die Verletzung eine gewisse Intensität erreiche. Das könne jedoch in diesem Fall nicht angenommen werden. Die Benachteiligung beziehe sich nur auf den privaten Bereich und nicht auf die Öffentlichkeit. Deshalb wiege sie weniger schwer, so das OLG. Außerdem sei das Verschulden des Unternehmens als gering einzustufen.
Die Entscheidung ist rechtskräftig.
cp/LTO-Redaktion
OLG Karlsruhe zum Adressformular in Online-Shops: . In: Legal Tribune Online, 26.01.2022 , https://www.lto.de/persistent/a_id/47328 (abgerufen am: 24.11.2024 )
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