OLG Karlsruhe zur VW-Abgasaffäre: Keine Ansprüche, wenn Mani­pu­la­tion bekannt war

13.01.2020

Wer 2016 einen Gebrauchtwagen gekauft hat und dabei wusste, dass dieses Auto vom Dieselskandal betroffen ist, hat keine Ansprüche gegen VW. Das OLG Karlsruhe reiht sich damit bei seinen Kollegen ein - mit einem kleinen Unterschied.

Ein Gebrauchtwagenkäufer, der 2016 ein Dieselfahrzeug erworben hat, von dem ihm bekannt war, dass es vom Dieselskandal betroffen ist, hat keine Ansprüche gegen Autohändler und Hersteller, entschied das Oberlandesgericht Karlsruhe (OLG) in einem kürzlich ergangenen Urteil (Urt. v. 9.1.2020, Az. 17 U 133/19).

Der klagende Käufer hatte im April 2016 einen gebrauchten VW Tiguan erworben. In dem Fahrzeug war ein Dieselmotor des Typs EA 189 verbaut, der mit der unzulässigen Abschalteinrichtung und "Schummelsoftware" ausgestattet war. Der Käufer forderte daher von dem Autohaus die Rückzahlung des Kaufpreises gegen Rückübereignung des Fahrzeugs unter Anrechnung einer Nutzungsentschädigung. Außerdem verlangte er die Feststellung, dass VW ihm Ersatz der Schäden schulde, die durch die eingebaute Software zur Prüfstanderkennung in der Motorsteuerung verursacht werden.

Das Landgericht Baden-Baden lehnte die Klage ab. Der Käufer habe vor Abschluss des Kaufvertrages Kenntnis von der manipulativen Motorsteuerung gehabt. Mängelgewährleistungsansprüche gegen den Händler oder Ansprüche gegen VW schieden deshalb aus.

Schummelsoftware muss man nicht verstehen, sich darüber aber selbst informieren

Dieser Auffassung schloss sich das OLG Karlsruhe nun an. Zum einen bestünden Gewährleistungsansprüche gegen den Autohändler in diesem Fall wegen Kenntnis des Mangels nach § 442 Abs. 1 S. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) nicht. Selbst wenn der Käufer keine Kenntnis von der genauen Wirkungsweise der Software gehabt hat, habe er, so das OLG, jedenfalls grob fahrlässig im Sinne von § 442 Abs. 1 S. 2 BGB gehandelt, wenn er sich nicht näher erkundigte, obwohl er wusste, dass die Software in dem Fahrzeug verbaut war.

Zum anderen komme ein Anspruch gegen VW auch aus § 826 BGB wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung nicht in Betracht. Zwar sei der Zweitkäufer grundsätzlich in den Schutzbereich des § 826 BGB einbezogen. Ein Vermögensschaden durch den Kauf eines von dem Abgasskandal betroffenen Fahrzeugs sei VW aber ab Mitte Dezember 2015 nicht mehr zurechenbar. VW habe zu diesem Zeitpunkt die Öffentlichkeit so weitgehend informiert, dass zwischen ihrem ursprünglichen Verhalten – der Konzernentscheidung zur Implementierung der Software – und dem Erwerb des Fahrzeugs kein rechtlich zurechenbarer Zusammenhang mehr bestehe. 

Damit bleibt das OLG Karlsruhe auf einer Linie mit bereits ergangenen Entscheidungen anderer Oberlandesgerichte: Das OLG Schleswig-Holstein und das OLG Frankfurt am Main kamen kürzlich zum gleichen Ergebnis. Einen kleinen Unterschied in der Urteilsbegründung gibt es dann aber doch: Das OLG Karlsruhe hält - im Gegensatz zu den anderen Gerichten - nicht die "ad-hoc"-Mitteilung von VW vom 15. September 2015 allein für ausreichend an, um den Zurechnungszusammenhang im Rahmen der vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung zu unterbrechen. Das OLG Schleswig-Holstein zum Beispiel hatte genau für den Zeitpunkt ab Veröffentlichung dieser Mitteilung den Schädigungsvorsatz abgelehnt.

ast/LTO-Redaktion

Zitiervorschlag

OLG Karlsruhe zur VW-Abgasaffäre: . In: Legal Tribune Online, 13.01.2020 , https://www.lto.de/persistent/a_id/39637 (abgerufen am: 21.11.2024 )

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