Fahrradfahrer, die entgegen der Fahrtrichtung auf dem Radweg fahren, können einen Teil eines Unfallschadens selbst zu tragen haben, entschied das OLG Hamm. Wenn sie keinen Helm tragen, erhöhe das ihren Eigenhaftungsanteil aber nicht.
Eine Radfahrerin, die beim Befahren des Radweges entgegen der Fahrtrichtung mit einem wartepflichtigen Auto kollidiert, kann ein Drittel ihres Schadens selbst zu tragen haben. Dass sie keinen Schutzhelm getragen hat, erhöht ihren Eigenhaftungsanteil nicht, entschied der 9. Zivilsenat des Oberlandesgerichts (OLG) Hamm in einem jetzt bekannt gewordenen Urteil (Urt. v. 04.08.2017, Az. 9 U 173/16). Damit änderte es die Entscheidung der Vorinstanz (Landgericht (LG) Essen, Urt. v. 30.09.2016, Az. 9 O 322/15) teilweise ab.
Die klagende Frau aus Marl befuhr im November 2013 den linksseitigen Geh- und Radweg. Diesem folgte sie auch, als er nur noch für die Radfahrer aus der entgegengesetzten Richtung freigegeben war. Schließlich kollidierte sie mit einem Auto, wobei sie auf die Motorhaube stürzte, mit dem Rad über die Straße rutschte und mit dem unbehelmten Kopf auf der Fahrbahn aufschlug. Dabei erlitt sie schwerste Verletzungen.
Von dem beklagten Autofahrer und dessen Haftpflichtversicherer verlangt die Frau unter anderem ein Schmerzensgeld in Höhe von 40.000 Euro, eine monatliche Schmerzensgeldrente von 300 Euro und materiellen Schadensersatz von etwa 16.000 Euro.
LG sprach Frau noch 80 Prozent ihres Schadens zu
Während das LG Essen der Frau noch unter Berücksichtigung eines Mitverschuldens 80 Prozent ihres Schadens zusprach, bewertete das OLG Hamm das Mitverschulden der Frau mit einem Drittel höher. Zwar habe der beklagte Autofahrer den Unfall in erheblichem Umfang verschuldet, auch wenn er zunächst im Einmündungsbereich der Straße, an dem er das Fahrrad der Frau schließlich erfasste, angehalten habe.
Doch habe auch die Fahrradfahrerin den Unfall mitverschuldet, weil sie den Radweg entgegen der freigegebenen Fahrtrichtung befahren habe. Dass sie diesen nur wenige Meter befuhr, bevor es zu dem Unfall kam, entlaste die Frau dabei nicht. Richtigerweise hätte sie ihn nur noch als Fußgängerin - ihr Fahrrad schiebend - nutzen dürfen.
Nach Auffassung des Senats rechtfertigt das Nichttragen eines Schutzhelms demgegenüber keine Anspruchskürzungen zulasten der Frau. Zur Unfallzeit im Jahr 2013 habe keine gesetzliche Helmpflicht für Radfahrer bestanden und auch das Tragen eines Helms habe zu diesem Zeitpunkt nicht dem allgemeinen Verkehrsbewusstsein entsprochen, was der Bundesgerichtshof noch im Jahre 2014, bezogen auf einen Fall aus 2011, festgestellt habe.
ms/LTO-Redaktion
OLG Hamm zu Ansprüchen nach Verkehrsunfall: . In: Legal Tribune Online, 30.08.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/24213 (abgerufen am: 22.11.2024 )
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