Das OLG Hamm hat entschieden, dass ein ruandischer Staatsbürger und mutmaßlicher Kriegsverbrecher zur Strafverfolgung nach Ruanda ausgeliefert werden darf. Von der Rechtsstaatlichkeit des Verfahrens könne man inzwischen ausgehen.
Die Auslieferung eines ruandischen Staatsangehörigen an die Republik Ruanda zur Strafverfolgung wegen Völkermordes und wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit ist zulässig. Dies hat das Oberlandesgericht (OLG) Hamm bereits im Februar entschieden, am Dienstag veröffentlichte es die Entscheidung (Beschl. v. 21.02.2017, Az. 2 Ausl. 27/16). Der Beschuldigte wurde ist den ruandischen Behörden inzwischen übergeben worden.
Diese werfen dem 1973 geborenen Mann Völkermord und Verbrechen gegen die Menschlichkeit vor. Er sei 1994 am Völkermord an den Tutsi beteiligt gewesen. Gemeinsam mit weiteren Mitgliedern der sogenannten Interahamwe-Miliz soll er insbesondere an der Tötung von über 20 Tutsi mitgewirkt haben. 2015 ersuchten die ruandischen Behörden Deutschland um Auslieferung.
Im Auslieferungsverfahren bestritt der Mann die Tatvorwürfe. Er sei Hutu und werde von der jetzt durch Tutsi gebildeten Regierung Ruandas zu Unrecht beschuldigt und verfolgt. Seiner Auslieferung hatte er unter Hinweis auf die aktuellen Verhältnisse im Land Ruanda, in dem es keine freie, unabhängige und menschenrechtskonforme Justiz gebe, widersprochen.
OLG: Prozessführung nach rechtsstaatlichen Grundsätzen
Der Hammer Senat entschied, dass die Auslieferung zulässig ist. Die in Frage stehenden Taten seien nach ruandischem Recht und auch nach deutschem Recht strafbar. Die eigenen Angaben des Mannes, die er in seinem Asylverfahren gemacht habe, enthielten Anhaltspunkte für die Beteiligung am Genozid der Volksgruppe der Tutsi. So hätten diese Angaben bereits den Generalbundesanwalt zur Einleitung eines Ermittlungsverfahrens gegen den Verfolgten wegen des Verdachts der Beihilfe zum Völkermord veranlasst.
Anhaltspunkte für eine politische Verfolgung fand das OLG ebenfalls nicht. Solche seien seinem erfolglos - auch gerichtlich - betriebenen Verfahren zur Anerkennung als Asylberechtigter nicht zu entnehmen. Angesichts der Schwere der ihm zur Last gelegten Taten sei eine nach ruandischem Recht verhängte lebenslange Freiheitsstrafe nicht als unerträglich hart oder unmenschlich anzusehen. Das ruandische Recht biete in diesem Fall die Möglichkeit, nach verbüßten 20 Jahren Freiheitsstrafe bedingt entlassen zu werden. Die Todesstrafe drohe in Ruanda nicht.
Dem Mann drohe auch keine unfaire, mit rechtsstaatlichen Grundsätzen unvereinbare Prozessführung und keine den europäischen Mindeststandards widersprechende, menschenunwürdige Behandlung in der Haft. Hiervon könne der Senat nach ihm vom Auswärtigen Amt erteilten Auskünften zu den Haftbedingungen und zur Frage der Rechtsstaatlichkeit von Strafverfahren in Ruanda ausgehen. In den letzten Jahren hätten sich rechtsstaatliche Standards ruandischer Strafverfahren entscheidend verbessert. So sähen der internationale Strafgerichtshof für Ruanda und auch der europäische Gerichtshof für Menschenrechte in Entscheidungen aus dem Jahre 2011 Auslieferungen zur Strafverfolgung nach Ruanda nicht mehr als menschenrechtswidrig an.
acr/LTO-Redaktion
OLG Hamm erlaubt Auslieferung nach Ruanda: . In: Legal Tribune Online, 22.08.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/24075 (abgerufen am: 22.11.2024 )
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