OLG Hamm zu ärztlichen Informationspflichten: Bes­sere Auf­klärung über neue Methoden

21.02.2018

Behandelt ein Arzt seinen Patienten mit einer neuartigen Methode, so muss er ihn zuvor explizit darüber aufklären, dass möglicherweise unbekannte Risiken bestehen könnten. Dies entschied kürzlich das OLG Hamm.

Die Informationspflichten von Ärzten gegenüber ihren Patienten haben in den letzten Jahren zunehmend an Bedeutung gewonnen und sind immer wieder Gegenstand der Rechtsprechung. So auch in einem aktuellen Fall vor dem Oberlandesgericht (OLG) Hamm: Das Gericht entschied, dass eine Einwilligung des Patienten in eine Operation mit einer neuartigen Methode unwirksam ist, wenn er nicht zuvor explizit auf mögliche unbekannte Risiken hingewiesen wurde (Urt. v. 23.01.2018, Az. 26 U 76/17 ).

Geklagt hatte eine heute 62-Jährige, die sich im April 2008 wegen einer Inkontinenz in der Sprechstunde eines Krankenhauses in Siegen vorgestellt hatte. Nach der Diagnose wurde ihr ein operativer Eingriff vorgeschlagen, bei dem ein Netz im Beckenbodenbereich eingebracht werden sollte. Dabei handelte es sich um eine zu dieser Zeit nicht allgemein eingeführte sog. "Neulandmethode". Alternativ dazu schlug man ihr auch ein klassisches Operationsverfahren vor.

Die Patientin entschied sich für das moderne Verfahren und unterzog sich noch im selben Monat dem Eingriff. Was eigentlich Heilung versprach, führte im Anschluss aber nicht zu einer nennenswerten Besserung. Vielmehr litt die Frau anschließend auch unter Dyspareunie, worunter Schmerzen bzw. körperliche Missempfindungen beim Geschlechtsverkehr zu verstehen sind. Binnen eines Jahres folgten fünf weitere Operationen, bei denen weite Teile des Netzgewebes wieder entfernt wurden. Die Schmerzen wurden dadurch allerdings nicht endgültig behoben.

Behandlungsmethode war noch nicht vollständig erprobt

Anschließend verklagte die Frau den Träger der Klinik auf Schadenersatz, insbesondere ein Schmerzensgeld in Höhe von mindestens 50.000 Euro, weil sie nicht ausreichend über die Risiken der Operation aufgeklärt worden sei. Vor dem Landgericht (LG) Siegen hatte sie damit größtenteils Erfolg: Die Kammer sprach ihr auf der Grundlage eines gynäkologischen Sachverständigengutachtens immerhin ein Schmerzensgeld i. H. v. 35.000 Euro zu (Urt. v. 05.05.2017, Az. 2 O 1/15.

Hiergegen ging der Klinikträger in Berufung, unterlag nun aber auch vor dem OLG Hamm. Der 26. Zivilsenat befand, dass der Eingriff nicht von einer wirksamen Aufklärung der Patientin gedeckt gewesen sei. Hierfür hätte sie nach Ansicht der Richter besonders auf etwaige, noch unbekannte Risiken der neuen Methode hingewiesen werden müssen.

Das neue Verfahren habe zwar nach den Ausführungen eines Sachverständigen im Jahre 2008 als erfolgversprechender als die bisherige, klassische Methode gegolten. Belastbare Informationen über Risiken hätten aber noch nicht vorgelegen. Die klinische Erprobung des seit 2005 zunächst in den USA eingesetzten Verfahrens sei noch nicht abgeschlossen gewesen, weshalb man nicht gewusst habe, dass das Einsetzen eines Netzes im Beckenbodenbereich zu größeren Komplikationen führen könne.

Das alles, so die Richter, hätte man der Patientin im Krankenhaus verdeutlichen müssen, um sie in die Lage zu versetzen, möglichen Nutzen und Risiken des Eingriffs für sich abzuwägen und zu entscheiden. Das sei aber nicht geschehen. Damit bestätigte das Gericht das erstinstanzliche Urteil gegen die Klinik.

mam/LTO-Redaktion

Zitiervorschlag

OLG Hamm zu ärztlichen Informationspflichten: . In: Legal Tribune Online, 21.02.2018 , https://www.lto.de/persistent/a_id/27125 (abgerufen am: 20.11.2024 )

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