OLG Frankfurt zu bekennendem Schwarzfahrer: Ver­geb­lich, aber nicht umsonst

23.12.2016

"Erschleichen von Leistungen" ist nach der Rechtsprechung "kein heimliches Delikt". Wer sich als Schwarzfahrer zu erkennen gibt, kann den Tatbestand gleichwohl verwirklichen, so nun das OLG Frankfurt in einem allerdings grenzwertigen Fall.

Das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt hat den Freispruch für einen Schwarzfahrer aufgehoben, der mit "Ich fahre umsonst"-Schild unterwegs gewesen war, am Freitag aufgehoben. Der Mann aus Mittelhessen muss sich deshalb in absehbarer Zeit erneut vor dem Landgericht (LG) Gießen wegen Beförderungserschleichung verantworten. Der 52-Jährige war in einem Regionalzug in der Nähe von Köln ohne Fahrschein erwischt worden. An seiner Jacke trug er einen Anstecker unter anderem mit der Aufschrift "Ich fahre umsonst". Weil er sich damit offen zum Schwarzfahren bekannt habe, könne man ihm nicht Beförderungserschleichung vorwerfen, so sein Argument.

"Eine Erschleichung hat immer etwas Geheimes an sich. Eine Katze schleicht beispielsweise nachts herum", argumentierte die Verteidigung. In erster Instanz hatte das Amtsgericht (AG) Gießen den 52-Jährigen zu einer Geldstrafe verurteilt. Das LG sprach ihn dann in der Berufungsverhandlung frei, weil er die Fahrt durch das offene Tragen des Schildchens eben nicht, wie von § 265a Strafgesetzbuch (StGB) gefordert, "erschlichen" habe.

Schild war leicht zu übersehen

Nach Auffassung der OLG-Richter aber ließ das lediglich scheckkartengroße Schild das Tatbestandsmerkmal nicht entfallen. Die Jacke mit dem Anstecker habe während der Fahrt zudem auf dem Schoß des Mannes gelegen und sei dadurch nicht durchgängig sichtbar gewesen. Auch beim Betreten der Bahn sei nicht sichergestellt worden, dass das Schild erkennbar war. Somit habe der 52-Jährige sehr wohl den Anschein erweckt, ordnungsgemäß die Bahn zu benutzen.

Nach Angaben des Verbandes Deutscher Verkehrsunternehmen aus dem vergangenen Jahr gehen deutschen ÖPNV-Unternehmen durch Schwarzfahrer jährlich rund 250 Millionen Euro an Fahrgeldeinnahmen verloren.

Der Rhein-Main-Verkehrsverbund (RMV) in Hofheim schätzt, dass drei bis vier Prozent seiner insgesamt 727 Millionen Fahrgäste im Jahr ohne Ticket unterwegs sind. "Damit entgehen uns Einnahmen im Wert von über 40 Millionen Euro", sagte eine Sprecherin am Freitag. Das so genannte "erhöhte Beförderungsentgelt" wurde dieses Jahr auf 60 Euro erhöht, zudem wird deutlich mehr kontrolliert als früher.

Schwarzfahren "kein heimliches Delikt"

Vor der Entscheidung der OLG-Richter sprach sich der 52-Jährige, der sich als "politischen Aktivisten" bezeichnete, für einen Nulltarif für Busse und Bahnen aus. Mittlerweile belasse er es nicht mehr bei einem Schild, sondern verteile in öffentlichen Verkehrsmitteln auch Flugblätter und benutze ein Megafon.

Schwarzfahrer beschäftigen immer wieder die Justiz, etwa auch das OLG Köln in einem ähnlichen Fall. Dabei ging es um einen Mann, der am 11. November 2011 - dem Beginn der Karnevalssession - in Köln in einen ICE gestiegen war. Eine Fahrkarte hatte er nicht, an der Krempe seiner Wollmütze steckte aber ein Zettel, mit dem er dies offen kundtat. Bei einer Routinekontrolle fiel er auf und wurde zu 200 Euro Geldstrafe verurteilt. Das Kölner OLG entschied damals ebenfalls, dass der Mann den Tatbestand des § 265a StGB verwirklicht habe. Schwarzfahren sei kein heimliches Delikt; das Merkmal "erschleichen" sei vielmehr erst dann ausgeschlossen, wenn die Absicht, den Fahrpreis nicht zu entrichten, für jedermann sofort offen zutage trete.

cvl/dpa/LTO-Redaktion

Zitiervorschlag

OLG Frankfurt zu bekennendem Schwarzfahrer: . In: Legal Tribune Online, 23.12.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/21582 (abgerufen am: 22.11.2024 )

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