Don't text and drive – was für private Autofahrer gilt, ist am Steuer eines Linienbusses erst recht zu beachten. Ein Busfahrer tat es trotzdem, die Verkehrsgesellschaft sperrte ihn lebenslang für alle Linien. Zu Unrecht, so das OLG.
Eine lebenslange Sperre für einen Busfahrer wegen verbotener Handynutzung am Steuer ist unverhältnismäßig, entschied das Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf am Montag (Urt. v. 21.08.2023, Az. VI-6 U 1/223). Dass zudem der Kartellsenat über ein Fahrverbot entscheidet, klingt erst einmal ungewöhnlich. Worum geht es also genau?
Geklagt hatte ein Busfahrer, den die Rhein-Erft-Verkehrsgesellschaft auf Lebenszeit davon ausgeschlossen hatte, auf einer ihrer Linien je wieder hinter dem Steuer zu sitzen. Gegenstand des Verfahrens war weder ein Fahrverbot noch eine Entziehung der Fahrerlaubnis, sondern es ging um Privatrecht: Der Fahrer war entlassen und unternehmensintern gesperrt worden. Er darf also weiter Auto fahren, nur eben nicht mehr professionell für die Rhein-Erft-Verkehrsgesellschaft.
Ein Fahrgast hatte den Busfahrer dabei gefilmt, wie er sein Handy während der Fahrt benutzte, und informierte die Verkehrsgesellschaft darüber. Daraufhin sperrte diese den Mann für die Zukunft auf allen ihren Linien. Angestellt war der Mann bei einem Sub-Sub-Unternehmen der Verkehrsgesellschaft, welches den Arbeitsvertrag aufgrund der Sperre fristlos kündigte.
Das hielt der Mann aus Bergheim bei Köln für unverhältnismäßig und wehrte sich vor dem Landgericht (LG) Köln. Das Argument: So finde er in zumutbarer Entfernung zu seinem Wohnort keine Stelle mehr. Denn die Verkehrsgesellschaft Rhein-Erft beherrsche den lokalen Markt, sie betreibe fast das gesamte Nahverkehrs-Busnetz im Rhein-Erft-Kreis, einem der bevölkerungsreichsten Landkreise Nordrhein-Westfalens und der Bundesrepublik - und damit sind wir im Kartellrecht gelandet.
OLG: Lebenslange Sperre für alle Linien wirkt wie Berufsverbot
Die Sperre komme faktisch einem Berufsverbot gleich, argumentierte der Mann zusätzlich. Durch die zeitlich unbegrenzte und das gesamte Liniennetz bezogene Sperre missbrauche die Verkehrsgesellschaft ihre Marktmacht.
Das LG Köln hatte der Klage noch teilweise stattgegeben, weil es eine fünfjährige Sperre für ausreichend hielt (Urt. v. 27.10.2022, Az. 33 O 209/22). Das OLG Düsseldorf ging noch einen Schritt weiter: Es entsprach vollumfänglich dem Ansinnen des Busfahrers, die Sperre mit sofortiger Wirkung aufzuheben, und kassierte damit auch das Urteil des LG ein. Sowohl eine lebenslange als auch eine fünfjährige Sperre seien unverhältnismäßig.
Das Verkehrsunternehmen habe mit der Sperre seine marktbeherrschende Stellung im Linienverkehr der Region missbraucht, so das OLG nun. Die Sperre komme tatsächlich einem Berufsverbot gleich, so die Richter, die dabei zum Vergleich auf das Recht der Verkehrsordnungswidrigkeiten abstellten: Für die einmalige Handynutzung am Steuer gebe es für Autofahrer nur ein Bußgeld und einen Punkt in Flensburg. Selbst ein Fahrverbot von höchstens drei Monaten werde nur in schweren Fällen verhängt.
Daraus folgerte das Düsseldorfer Gericht, dass nach arbeitsrechtlichen Grundsätzen nur eine Abmahnung in Betracht gekommen wäre. Die Richter erteilten der Argumentation der Verkehrsgesellschaft mithin eine Absage: Das Unternehmen hatte vorgetragen, es besitze keine marktbeherrschende Stellung. Zudem sei die Fahrsperre zum Schutz der Fahrgäste gerechtfertigt.
Mit der abweichenden Beurteilung durch das OLG werden Verkehrsgesellschaft und Fahrgäste nun leben müssen, denn das Urteil ist rechtskräftig.
mk/LTO-Redaktion mit Material der dpa
Ein besonderer Fall vor dem Kartellsenat: . In: Legal Tribune Online, 21.08.2023 , https://www.lto.de/persistent/a_id/52528 (abgerufen am: 21.11.2024 )
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