Die Anwältin Başay-Yıldız und andere, hauptsächlich im Kampf gegen Rechtsextremismus engagierte Frauen, werden seit Jahren von Unbekannten des "NSU 2.0" bedroht. Das müsse endlich aufgeklärt werden, fordern mehrere Anwaltsorganisationen.
Die Rechtsanwältin Seda Başay-Yıldız und ihre Familie erhalten seit mehr als zweieinhalb Jahren von unbekannten Täterinnen und Tätern Todesdrohungen und Beleidigungen. Unterschrieben sind sie mit "NSU 2.0". Der Republikanische Anwältinnen- und Anwälteverein (RAV), die Vereinigung Demokratischer Juristinnen und Juristen (VDJ) sowie das Organisationsbüro der Strafverteidigervereinigungen erklären nun in einer gemeinsamen Presseerklärung ihre Solidarität mit der Kollegin. Sie fordern eine effektive Ermittlung im Komplex NSU 2.0.
Die Frankfurter Rechtsanwältin sei aufgrund ihres öffentlichkeitswirksamen Auftretens als Nebenklagevertreterin im NSU-Verfahren und als Strafverteidigerin in den Fokus der bislang anonymen Täter:innen geraten. Die in den Drohschreiben enthaltenen persönlichen Daten der Familie kämen aus einem Revier der hessischen Polizei. Trotz Adresssperrung seien immer wieder neue Drohschreiben verschickt worden. Deshalb gehen die Organisationen nach eigenen Angaben davon aus, dass die Täter:innen in den Reihen der hessischen Polizei zu finden sind.
Dabei betonen sie in ihrer Erklärung, dass unter anderem auch andere Kolleginnen und Kollegen, Kunstschaffende sowie Aktivistinnen und Aktivisten ebenfalls die Drohschreiben erhalten würden. Betroffen seien vor allem Frauen, die sich im Rahmen ihrer Arbeit und öffentlich gegen Rassismus, Rechtsextremismus und Sexismus engagieren.
Dr. Stolle: "Angriff auf die gesamte Anwaltschaft"
Ermittlungserfolge würden entweder nicht öffentlich gemacht oder würden nicht existieren, möglicherweise gehe es darum, das Ansehen der Polizei zu schützen. Diese Zustände seien nicht mehr haltbar, kritisieren die Anwaltsorganisationen.
"Die Angriffe gegen unsere Kollegin sind zugleich ein Angriff auf die gesamte Anwaltschaft", sagt der Vorstandsvorsitzende des RAV e.V. und Rechtsanwalt Dr. Peer Stolle. Dr. Andreas Engelmann, Bundessekretär des VDJ, sagt, die erfolglosen Ermittlungen im Komplex NSU 2.0 würden zeigen, dass unabhängige Untersuchungsstellen gebraucht werden, wenn Polizistinnen und Polizisten beschuldigt werden.
In ihrer gemeinsamen Presseerklärung fordern die Organisationen daher, den Verfahrenskomplex NSU 2.0 umfassend aufzuklären. Zudem müssten die Ermittlungen an das Bundeskriminalamt übertragen und der Schutz von Frau Başay-Yıldız und der anderen Betroffenen gewährleistet werden.
Auch die Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK) hat die Drohungen bereits verurteilt. Zuletzt hatte die hessische Polizei untere anderem wegen NSU 2.0 eine Expertenkommission eingerichtet.
pdi/LTO-Redaktion
Anwälte fordern mehr Engagement bei Ermittlungen: . In: Legal Tribune Online, 25.02.2021 , https://www.lto.de/persistent/a_id/44365 (abgerufen am: 20.11.2024 )
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