Auch am dritten Verhandlungstag in Karlsruhe bringt die NPD zu ihrer Verteidigung wenig vor. Vielleicht ist das aber auch gar nicht nötig. Denn ausgerechnet ihre Schwäche könnte die Rechtsextremen vor einem Parteiverbot retten.
Am Donnerstagvormittag lässt die NPD in Karlsruhe die Maske fallen. Nun wird offen in den Mund genommen, was die rechtsextreme Partei überhaupt vor das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) gebracht hat. "Abstammungsdeutsche". "Ermessenseinbürgerung". Der Islam als "fremdkörperhafte Aggressionsreligion". Plötzlich fliegt dem Senat das rechte Vokabular nur so um die Ohren (Az. 2 BvB 1/13).
Vor allem der als Auskunftsperson geladene sächsische Funktionär Jürgen Gansel redet sich regelrecht in Rage. An seinen lebhaften Ausführungen, dass "ein weltlich ausgerichteter Islamist", der sich an die deutschen Gesetze hält und auch einer Arbeit nachgeht, im Einzelfall ja sogar die deutsche Staatsbürgerschaft bekommen könnte, scheint er wenig Anstößiges zu finden. Einen Facebook-Eintrag, in dem er von "alkoholisierten Asylnegern" spricht, nennt er vor "faktengestützt". Es gebe eben unterschiedliche Temperamente, und er sei "jemand, der rhetorisch die etwas schärfere Klinge führt".
NPD-Chef Frank Franz mühte sich sichtlich, den programmatischen Unterbau so eben noch in den Rahmen des Zulässigen zu stellen. Auf kritische Nachfragen von der Richterbank stand er aber fast schon da wie ein unvorbereiteter Schuljunge: "Ja ... ... ..." Schweigen.
Selbst der junge NPD-Anwalt Peter Richter, dem auch unabhängige Beobachter viel juristischen Sachverstand zugestehen, versteigt sich am dritten und letzten Tag der kräftezehrenden Verhandlung zu kruden Thesen. Zitierte Zwischenrufe der fünf NPD-Abgeordneten im Schweriner Landtag erklärt er für vor Gericht nicht verwertbar. Und Landtagspräsidentin Sylvia Bretschneider (SPD) geht er mit so polemischen Vorwürfen an ("Was machen Sie eigentlich sonst so, außer diese Dinge zusammenzutragen?"), dass Gerichtspräsident Prof. Dr. Andreas Voßkuhle ihn schließlich in die Schranken weist.
Wie gefährlich sind Kinderfeste und Kümmerer-Strategie?
Es bleibt der Eindruck einer Partei, die überraschend wenig Trickreiches zu ihrer Verteidigung vorzubringen hat. Das Paradoxe ist, dass den Bundesländern, die ihr Verbot wollen, die Schwäche der Rechtsextremen nicht unbedingt in die Karten spielt - im Gegenteil. Eine Partei, die zwar verfassungsfeindlich ist, aber zu unbedeutend, um tatsächlich etwas gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung ausrichten zu können, kann nicht verboten werden.
Zum Auftakt der Verhandlung am Donnerstagmorgen tragen die Innenminister aus Bayern und Mecklenburg-Vorpommern vor, was die NPD aus ihrer Sicht in West- wie Ostdeutschland so gefährlich macht. Dass ihr Vortrag die acht Richter des Zweiten Senats nicht so recht überzeugt, ahnt man schon, bevor die ersten Nachfragen kommen.
Dass die NPD in Bayern nur 700 Mitglieder habe, bedeute nicht, dass sie keine wichtige Rolle in der Szene spiele, führt Ressortchef Joachim Herrmann (CSU) aus. In der politischen Auseinandersetzung habe sie eine "Leitfunktion". Sein Kollege Lorenz Caffier (CDU) schildert, wie die NPD in Mecklenburg-Vorpommern mit Kinderfesten und "Bürgersprechstunden" ihre "Kümmerer-Strategie" fährt. Und dass es dort Orte wie das kleine Jamel gibt, die so fest in rechter Hand sind, dass ein Schild den Weg zum Hitler-Geburtsort Braunau weist.
Parteiverbot, um den Anfängen zu wehren?
Aber macht all das wirklich ein Parteiverbot notwendig? Drastischer können die Karlsruher Richter kaum in den demokratischen Prozess eingreifen. Der für das Verfahren zuständige Berichterstatter Peter Müller zitiert ausführlich aus jüngsten Verfassungsschutzberichten, die das Bild einer finanziell klammen, kaum handlungsfähigen Partei im Niedergang zeichnen. Es habe stärkere Zeiten gegeben, "trotzdem hat man kein Verbot beantragt - warum jetzt?", will er wissen.
In den Kommunalparlamenten hält die NPD deutschlandweit nur 0,15 Prozent aller Mandate, wirft Voßkuhle ein. Warum zeigen ihre vielen Bemühungen denn keinen Erfolg? Und Müller will wissen, inwiefern eine Hartz-IV-Beratung die demokratische Grundordnung bedroht. "Wir müssen alles dafür tun, um den Anfängen zu wehren", sagt Caffier.
Draußen, an den Straßen rund ums Gericht, hat die NPD im baden-württembergischen Landtagswahlkampf ein kämpferisches "Wir bleiben" plakatiert. Darüber werden die Richter nach ausführlichen Beratungen erst in mehreren Monaten entscheiden. Aber sollte es am Ende so kommen, dürfte das die NPD, so blamabel es für die Länder wäre, wohl ausgerechnet ihrer Bedeutungslosigkeit zu verdanken haben. Übrigens auch mit Blick auf Europa. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte nämlich knüpft das Verbot einer Partei noch stärker an deren faktische Möglichkeiten, ihre Ziele auch zu verwirklichen.
dpa/pl/LTO-Redaktion
Dritter Verhandlungstag beim BVerfG: . In: Legal Tribune Online, 03.03.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/18680 (abgerufen am: 22.11.2024 )
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