Monika Gruber darf sich in ihrem Buch "Willkommen im falschen Film" über die Bloggerin Roma Maria Mukherjee lustig machen, auch wenn das boshaft ist. Dies entschied nun das OLG Hamburg.
Nachdem schon das Landgericht (LG) Hamburg (Beschl. v. 23.02.2024 – Az. 324 O 23/24) den Antrag der Bloggerin Roma Maria Mukherjee auf einstweilige Verfügung gegen die Kabarettistin Monika Gruber und den Piper-Verlag abgelehnt hatte, bestätigte dies nun das Oberlandesgericht (OLG) Hamburg (Beschl. v. 13.03.2024, Az. 7 W 30/24). Die angegriffenen Äußerungen in dem Buch "Willkommen im falschen Film" seien allesamt zulässig.
Ausgangspunkt für Grubers Ausführungen war ein Tweet von Mukherjee auf X (vormals Twitter), in dem sie behauptete, dass rechtsextreme Frauen aktuell aktiv auch die textile Hobbyszene (z.B. zum Thema Stricken) unterwanderten und dazu aufruft, sich aktiv mit den Angeboten in diesem Bereich auseinanderzusetzen.
Gruber hatte sich in ihrem Buch in einer Passage ausgiebig über Mukherjee lustig gemacht. So bezeichnete sie als "selbsternannte Influencerin" und spekulierte darüber, ob die Bloggerin nicht "im wahren Leben Maria Müller" heiße. Zudem findet sich im Buch der Satz: "Ich hätte sie eher beim tantrischen Shakren-Turnen oder einem veganen Ur-Schrei-Seminar verortet" und der Satz "oder gleich bei Nancy Faesers neugegründeter Stasi-Behörde für kollektives Denunzieren die Nachbarin anschwärzen". Schließlich machte sie Witze über die Warnung vor Rechtsextremistinnen, die die "textile Hobbyszene unterwanderten".
OLG Hamburg: Abwertende, aber zulässige Meinungsäußerungen
Das LG Hamburg hielt diese Passagen für zulässige Meinungsäußerungen und auch ihre Namensnennung für rechtmäßig. Auch das OLG Hamburg bestätigte diese Auffassung im Rahmen der Entscheidung über die sofortige Beschwerde von Mukherjee nach § 567 Abs. 1 Zivilprozessordnung (ZPO).
Mukherjee habe keinen Anspruch darauf, anonym zu bleiben, denn sie habe sich selbst im Netz mit einem Tweet an eine "unübersehbare Öffentlichkeit" gewandt, so das OLG. Es handele sich um zwar abwertend gemeinte, aber zulässige Meinungsäußerungen. Diese fielen damit unter den Schutz von Art. 5 Abs. 1 Grundgesetz (GG) und könnten den Antragsgegnern daher nicht untersagt werden, heißt es in dem Beschluss, der LTO vorliegt.
Auch der Satz "Ich hätte sie eher beim tantrischen Shakren-Turnen oder einem veganen Ur-Schrei-Seminar verortet" sei eine zulässige satirisch überspitzte Meinungsäußerung. Der gesamte Absatz, in dem sich diese Äußerung befinde, sei von Überspitzungen und grotesk klischeehaften Überlegungen geprägt, die aus Lesersicht offensichtlich nicht ernstgemeint seien.
Gleiches gelte für die Passage, dass Mukherjee vielleicht in Wirklichkeit Maria Müller heiße und sich kurzerhand umbenannt, da dieser Name nach 'Bund Deutscher Mädel' klinge, wobei eine solche Umbenennung eine "kulturelle Aneignung" sei. Das OLG schloss sich der Auffassung des LG an, wonach es sich hier um eine aus satirischen Gründen nur zum Schein in den Raum gestellte Spekulation und um eine "groteske Phantasie" handele. Gruber wolle damit kritisieren, dass Mukherjee in ihrem Tweet in – nach Ansicht Gruber – übertriebener Art und Weise hinter Alltäglichkeiten rechtsextremes Gedankengut vermute, und gleichzeitig die aus Grubers Sicht bestehende Hysterie öffentlicher Debatten um Fragen der Identität karikieren.
Satire oder "zivilisatorischer Tabubruch"?
Schließlich sei auch die Aussage: "Und so schleicht sich ganz leise der Faschismus wieder an, nur halt dieses Mal von der anderen Seite" zulässig. Das OLG folgte der Argumentation des LG, wonach "Faschismus" im konkreten Kontext als Kritik an geistiger Uniformität verwendet werde. Denn zuvor hatte Gruber kritisiert, es gäbe eine gesellschaftliche Tendenz, in der man Toleranz und Vielfalt fordere, anderseits aber bei "der kleinsten Abweichungen vom Mainstream-Kanon das Totschlagsargument 'rechts'" verwende.
Monika Grubers Anwalt Ben Irle ist im Gespräch mit der F.A.Z. der Ansicht, das OLG habe "angemessen kurz und knapp die richtige Entscheidung des LG Hamburg bestätigt und auch noch mal verdeutlicht, was Satire darf und ausmacht". Der Anwalt von Roma Maria Mukherjee, Jan Froehlich, kritisiert das OLG dagegen deutlich: Das Gericht "verstoße gegen die seit Jahrzehnten tragenden Grundsätze des Bundesgerichtshofes und des Bundesverfassungsgerichtes, wonach sich Vergleiche aus dem Intimbereich verbieten und zwar gerade auch, wenn diese dazu dienen, Menschen 'amüsierend' verächtlich zu machen." Das OLG, meint er, schütze "vom Piper Verlag und Monika Gruber – zu geschäftlichen Zwecken – benutzten Sexismus und Rassismus in einer bisher unbekannten Form" und begehe "einen zivilisatorischen Tabubruch, der dringend eines öffentlichen Diskurses bedarf".
Zimmermann: Übliche Satire bis auf eine Ausnahme
Medienrechtler und LTO-Chefredakteur Dr. Felix W. Zimmermann hält Froehlichs Aussagen für grobe Übertreibung. Frau Grubers Aussagen könnten nicht als Intimsphärenverletzung eingestuft werden, geschweige denn als "den für ihr (Mukherjee) Leben denkbar schwersten Schaden", so die Formulierung in ihrer Antragsschrift. "Vielmehr handelt es sich ganz überwiegend um übliche satirische Formulierungen, die in anderen Satiresendungen nicht weiter auffallen", so Zimmermann. Die Satirefreiheit gelte für alle politische Richtungen. "Auch Satire von rechts ist zulässig".
Bedenken hat Zimmermann allein hinsichtlich der von den Hamburger Gerichten für zulässig gehaltenen Faschismus-Vorwurfs. Grubers Aussage ziele hier eindeutig auf eine Vergleich mit dem Nationalsozialismus, da auf historische Begebenheiten abgestellt werde ("diesmal von der anderen Seite"). Die Auffassung von LG und OLG Hamburg, mit Faschismus werde "nur" gemeint, dass andere Meinungen diffamiert werden, überzeuge daher nicht. Im Ergebnis sei aber auch die Abweisung in diesem Punkt gut vertretbar, da Gruber nicht Mukherjee selbst als Faschistin bezeichnet hatte (so aber der Fall Brandner vs. Müller), sondern betont habe, dass es sich um eine "ganz langsam(e)" Entwicklung in diese Richtung handele.
OLG stellt klar: Wir entscheiden nicht über Frage der "Berechtigung"
Das Gericht sah es wohl angesichts der öffentlichen Debatte als nötig an, darauf hinzuweisen, dass es allein die Zulässigkeit von Äußerungen überprüfe und nicht deren "Berechtigung". Auch eine "ungerechte", "polemische" oder "boshafte" Meinung, falle "unter den Schutz der Freiheit der Meinungsäußerung", so das OLG. Eine Botschaft, die bei Frau Mukherjee nicht angekommen ist. Auf Twitter kommentierte sie die Entscheidung mit den Worten: "Was soll man in Na*ziland auch erwarten?", womit sie die Kritik von Gruber einer reflexhaften Totschlagsargument "Nazi" nicht gerade entkräftete.
Obwohl die Kabarettistin nun abermals vor Gericht siegte, hat der Piper-Verlag die neue Auflage von Monika Grubers Buch entschärft: Unter anderem wird Mukherjees Name nicht mehr genannt und das "tantrische Shakren-Turnen" wurde entfernt.
Mit der Entscheidung des OLG ist der Rechtsweg im einstweiligen Verfügungsverfahren abgeschlossen. Mukherjee hat aber die Möglichkeit, Hauptsacheklage zu erheben. In diesem Fall könnte der Rechtsstreit dann auch zum Bundesgerichtshof gebracht werden.
cho/fz/LTO-Redaktion
Kabarettistin Monika Gruber siegt vor OLG Hamburg: . In: Legal Tribune Online, 18.03.2024 , https://www.lto.de/persistent/a_id/54137 (abgerufen am: 21.11.2024 )
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