In einer 24-seitigen Stellungnahme hat sich Johannes Masing zu dem EuGH-Entscheid zum sogenannten "Recht auf Vergessen" geäußert. Die Luxemburger Richter machten es sich insgesamt zu leicht, findet der Richter des BVerfG.
Mitte Mai sprachen die Richter am Europäischen Gerichtshof (EuGH) eine weitreichende und viel beachtete Entscheidung zur Suchmaschine Google: Jeder Bürger habe einen Anspruch darauf, dass das Unternehmen Suchergebnisse löscht, die seine Persönlichkeitsrechte verletzen. Das Urteil wurde teilweise sehr skeptisch aufgenommen, das Informationsinteresse der Öffentlichkeit träte zu sehr in den Hintergrund.
Auch in Karlsruhe beschäftigt man sich mit der Luxemburger Entscheidung. Johannes Masing, Richter des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG), hat sich in einem 24 Seiten starken Dokument kritisch mit diesem auseinander gesetzt. Die Ausführungen liegen der Plattform irights.info vor, die Kernaspekte Masings auch zusammenfasst. Demnach wurde das Papier bereits im Mai und damit wenige Tage nach dem EuGH-Urteil verfasst. Es trägt den Titel "Vorläufige Einschätzung der 'Google-Entscheidung' des Europäischen Gerichtshofs".
Der Verfassungsrichter störe sich demnach vor allem daran, dass Luxemburg dem Persönlichkeitsrecht grundsätzlich Vorrang gegenüber dem öffentlichen Interesse bzw. der Pressefreiheit eingeräumt hat. Dieser nahezu bedingungslose Vorrang sei "inadäquat", so Masing. Jedenfalls nach deutschem Verfassungsrecht stehe die Presse- und Meinungsfreiheit dem Persönlichkeitsrecht gleichrangig gegenüber. Der EuGH aber betrachte dieses Verhältnis nur "durch die datenschutzrechtliche Brille". Dabei stelle eine Löschung jedenfalls auch einen mittelbaren Eingriff in die Pressefreiheit der Inhalteanbieter dar.
Löschung darf nur letztes Mittel sein
Luxemburg hatte in seinem Urteil allerdings ein überwiegendes öffentliches Interesse an Inhalten für "besonders gelagerte Fällen" für möglich gehalten. Welche Fälle hier gemeint waren, ließ der EuGH jedoch offen.
Problematisch sei ferner, dass der EuGH einen Unterschied zwischen der Verlinkung und dem eigentlichen Inhalt herstelle. Die Luxemburger Richter versuchten, Verweise einem anderen Rechtsregime zu unterwerfen. So könne es sein, dass Google nicht auf Inhalte verweisen dürfe, obwohl die Publikation selbst rechtmäßig sei.
Es sei auch nicht einsehbar, warum der EuGH den Konlikt zweier Parteien auf einen Dritten - den Suchmaschienenanbieter - verlagere. Denn der habe weder Einfluss noch Einblick. Google habe im Zweifel weder die nötigen Informationen noch die Ressourcen, um solche Auseinandersetzungen sachgerecht zu lösen. Ein Löschanspruch dürfe ohnehin nur die ultima ratio sein. Der Betroffene müsse sich vorrangig selbst um Löschung der eigentlichen Inhalte bemühen, findet Masing.
una/LTO-Redaktion
Nach EuGH-Urteil zu Google: . In: Legal Tribune Online, 31.07.2014 , https://www.lto.de/persistent/a_id/12746 (abgerufen am: 16.11.2024 )
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