Bei "sozialwidrigem Verhalten" ist man unter Umständen verpflichtet, Hartz-IV-Leistungen zurückzuzahlen. Eine private Trunkenheitsfahrt stellt jedoch kein solches Verhalten dar, so das LSG Niedersachsen-Bremen.
Dass eine Trunkenheitsfahrt mehr als nur den Entzug des Führerscheins bedeuten kann, musste nun ein Mann am eigenen Leib erfahren. Denn nach der Polizeikontrolle, bei der die Beamten eine Blutalkoholkonzentration von 2,3 Promille feststellten, war nicht nur der Führerschein weg, sondern auch der Job. Der Arbeitgeber kündigte dem angestellten Kraftfahrer. Es folgte eine Sperrzeit für den Bezug von Arbeitslosengeld I, sodass der Mann zur Deckung seines Lebensunterhaltes Hartz IV beantragte.
Die knapp fünf Monate gewährten Leistungen in Höhe von 2.599 Euro forderte das Jobcenter jedoch zurück. Ihr Argument: Der Mann habe die Hilfsbedürftigkeit selbst herbeigeführt, indem er betrunken Auto gefahren sei.
Grundsätzlich besteht der Anspruch auf existenzsichernde Leistungen unabhängig von der Ursache der entstandenen Notlage und einem vorwerfbaren Verhalten in der Vergangenheit. Verschuldensgesichtspunkte spielen bei der Feststellung eines Hilfebedarfs also grundsätzlich keine Rolle. Eine Rückerstattung der erhaltenen Leistungen ist demnach nur dann vorgesehen, wenn sich der Hilfsbedürftige selbst durch "sozialwidriges Verhalten" grob fahrlässig in die Notsituation gebracht hat. Auf den ersten Blick scheint eine private Trunkenheitsfahrt mit 2,3 Promille ohne Weiteres sozialwidrig und grob fahrlässig. Das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen (LSG) hat sich dem aber nicht angeschlossen ( Urt. v. 05.07.2018, Az. L 6 AS 80/17).
Alkoholfahrt weder sozialwidrig, noch fahrlässig
Die Trunkenheitsfahrt war Resultat einer privaten Feier zur Geburt seines ersten Enkelkindes und diente dem Mann dazu, neue Zigaretten zu kaufen. Das mag zwar untolerierbar sein, zur Rückzahlung der Leistungen verpflichtet dies den Mann aber nicht. Denn dazu hätte der Mann, so das LSG, die Fahrt mit dem Ziel antreten müssen, seine Existenzgrundlage zu vernichten und damit zu Lasten öffentlicher Kassen hilfebedürftig zu werden.
Dafür gab es jedoch keinerlei Anhaltspunkte, wie das LSG ausführte. Denn zum einen habe sich der Kraftfahrer noch nie auffällig verhalten. Zum anderen war er seit 2012 als Kraftfahrer beim selben Arbeitgeber beschäftigt und erhielt dort zu Beginn des Jahres 2014 eine Festanstellung sowie eine Gehaltserhöhung, weil der Arbeitgeber mit seinen Leistungen zufrieden war.
Auch hielt das LSG das Verhalten des Mannes für nicht grob fahrlässig. Denn er habe ungewohnt viel Alkohol zu sich genommen und sich wegen der Geburt seines Enkelkindes in einer besonderen emotionalen Situation befunden. Die sich daran anschließende Alkoholfahrt sei zwar zu verurteilen. Dem Mann könne aber nicht angelastet werden, er hätte die drohenden Konsequenzen mit dem Verlust des Arbeitsplatzes und der Hilfebedürftigkeit erkennen müssen.
tik/LTO-Redaktion
LSG zur Rückforderung von Hartz-IV: . In: Legal Tribune Online, 09.08.2018 , https://www.lto.de/persistent/a_id/30263 (abgerufen am: 20.11.2024 )
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