Anders als transsexuelle Personen bekommt eine Person, die sich weder als Mann noch als Frau fühlt, die Kosten für die Entfernung ihrer Brüste nicht erstattet. Laut LSG gibt es kein typisches Erscheinungsbild, dem sie sich anpassen könnte.
Eine nicht-binäre Person hat keinen Anspruch auf Erstattung der Kosten für die Entfernung ihrer Brüste. Anders als bei transsexuellen Personen ordne sie sich nämlich nicht einem bestimmten Geschlecht zu und dementsprechend gebe es auch kein Erscheinungsbild, dem sie sich anpassen könnte. Das hat das Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg entschieden (Urt. v. 29.06.2022, Az. L 5 KR 1811/21).
Eine Person mit weiblichen Geschlechtsmerkmalen (und damit ursprünglich personenstandsrechtlich als weiblich registrierte Person) ließ im Oktober 2019 die Geschlechtsangabe im Geburtenregister ändern. Als Geschlecht ist seitdem "ohne Angabe" eingetragen. Im Dezember 2019 beantragte sie dann bei ihrer gesetzlichen Krankenkasse, die Kosten für die Entfernung ihrer Brüste (Mastektomie) zu übernehmen.
Das lehnte die Krankenkasse aber ab, ein Transsexualismus sei nicht belegt, doch nur ein solcher löse einen Anspruch auf Erstattung der Kosten aus. Daraufhin ließ sich die Person auf eigene Kosten ihre Brüste entfernen und klagte im Nachhinein auf Erstattung.
Nur subjektiv empfundene Belastung
Vor dem Sozialgericht (SG) hatte sie damit zunächst Erfolg. Die bisher nach der Rechtsprechung für transgeschlechtliche Personen geltenden Ausnahmen für Operationen am gesunden Körper wegen psychischer Erkrankungen müssten auch für nicht-binäre Personen gelten, also Personen, sie sich weder als Mann noch Frau fühlen. Daher habe die Krankenkasse zu Unrecht die Kostenerstattung abgelehnt.
Das LSG hob dieses Urteil aber nun auf und wies die Klage der Person ab. Es liege schon keine körperliche Auffälligkeit vor, welche mit einer Beeinträchtigung von Körperfunktionen verbunden sei. Eine Erstattung von Eingriffen in intakte Organsysteme komme nur in Betracht, wenn entweder eine Entstellung vorliegt oder bei medizinisch gebotener Geschlechtsangleichung in Fällen des Transsexualismus. Beide Fälle lägen hier aber nicht vor. Behandlungsmaßnahmen, die die Uneindeutigkeit der äußeren Geschlechtsmerkmale erhöhen sollen, seien von Ansprüchen aus der Gesetzlichen Krankenversicherung ausgeschlossen.
Die klagende Person habe vielmehr ausschließlich eine subjektiv empfundene Belastung durch die Eigenwahrnehmung ihrer Brüste geltend gemacht und sich einen flachen Oberkörper gewünscht. Negative Reaktionen der Mitmenschen seien nicht beschrieben worden. Die Person wolle weder als Frau noch als Mann erkennbar sein und ihren Körper an ihre nicht-binäre Identität angleichen. Diesbezüglich scheitere ein Leistungsanspruch aber schon daran, "dass bei Intersexualität aus der Sicht eines verständigen Betrachters kein Erscheinungsbild eines phänotypisch angestrebten Geschlechts" existiere, wie es in der Entscheidung heißt. Die Entfernung der Brüste könnte unter Umständen eher zu einem männlichen Erscheinungsbild führen, was dem nicht-binären Verständnis der klagenden Person jedoch nicht entspräche.
pdi/LTO-Redaktion
LSG Baden-Württemberg: . In: Legal Tribune Online, 18.07.2022 , https://www.lto.de/persistent/a_id/49080 (abgerufen am: 04.11.2024 )
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