683 Tage saß ein 71-jähriger Mann unschuldig im Gefängnis. Eine gerichtlich bestellte Gutachterin war zu dem Ergebnis gekommen, er habe seine Pflegetochter missbraucht. Dann stellte sich heraus, dass das Gutachten wissenschaftlichen Standards nicht genügte. Das LG Saarbrücken verurteilte die Gutachterin am Donnerstag wegen ihrer fehlerhaften Expertise zur Zahlung von 50.000 Euro.
Zu Unrecht hatte ein 71-Jähriger wegen sexuellen Missbrauchs seiner Pflegetochter im Gefängnis gesessen, nun soll der Mann 50.000 Euro erhalten. Ein psychologisches Gutachten, das zu seiner Verurteilung geführt hatte, habe wissenschaftliche Standards nicht eingehalten und sei insofern grob fahrlässig erstellt worden, befand das Landgericht (LG) Saarbrücken am Donnerstag. "Der Kläger hätte nie verurteilt werden dürfen", hieß es zur Begründung (Urt. v. 30.10.2015, Az. 3 O 295/13).
Der 71-Jährige hat deshalb die damalige Gutachterin verklagt. Das Gericht hält eine Summe von 50.000 Euro Schadensersatz für die gesundheitlichen und psychischen Folgen von 683 Tagen Haft für angemessen. Dazu komme die Haftung für mögliche künftig auftretende Folgen.
Das Justizopfer hatte ursprünglich auf 80.000 Euro Schmerzensgeld geklagt. Nach Angaben seiner Anwältin akzeptiere er aber die Entscheidung des Gerichts.
Der Kläger war aufgrund des Gutachtens wegen Missbrauchs seiner Pflegetochter verurteilt worden. In einem Wiederaufnahmeverfahren wurde das Urteil nach fast zwei Jahren Haft aufgehoben. Grundlage dafür war ein Gutachten aus einem späteren Zivilprozess der Pflegetochter, das der ursprünglichen Expertise Mängel und Fehleinschätzungen bescheinigte.
Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Ob die Gutachterin Einspruch einlegt, war zunächst offen. Weder sie noch ihr Rechtsbeistand waren zur Urteilsverkündung erschienen.
dpa/mbr/LTO-Redaktion
LG Saarbrücken verurteilt Gutachterin: . In: Legal Tribune Online, 30.01.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/14527 (abgerufen am: 22.11.2024 )
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