Das LG Nürnberg-Fürth hat in einem am Donnerstag verkündetem Urteil die Schmerzensgeldklagen von drei Familienangehörigen abgewiesen. Sie hatten angegeben, durch einem SEK-Einsatz in ihrer Wohnung traumatisiert worden zu sein. Der Einsatz sei rechtmäßig gewesen, eine Schadensersatzpflicht damit nicht gegeben.
In den frühen Morgenstunden des 8. Oktober 2010 hatte ein Sondereinsatzkommando (SEK) die Wohnung der Familie gestürmt. Der als gewalttätig und aggressiv polizeibekannte Sohn der Familie war dringend verdächtig worden, Monate zuvor Personen mit einer scharfen Schusswaffe bedroht zu haben. Der ebenfalls als aggressiv bekannte Familienhund wurde bei dem Einsatz durch den Schuss aus einer Dienst-Schrotflinte verletzt.
Für die Familie insgesamt ein traumatisierendes Ereignis, in dessen Folge sich alle Familienangehörigen in nervenärztliche Behandlung begeben mussten. Nach eigenen Angaben sei die Familie nach dem Vorfall zerfallen, der Vater arbeitsunfähig. Der Sohn der Familie hatte angegeben, er sei über mehrere Monate völlig verstört gewesen, habe geweint und sei nachts immer wieder aufgeschreckt. Deshalb hatten Vater, Mutter und Sohn insgesamt Schmerzensgeld in Höhe von 25.000 Euro gefordert.
Die Vierte Zivilkammer des Landgerichts (LG) Nürnberg-Fürth wies die Schmerzensgeldklage jedoch ab: Eine Amtspflichtverletzung der Polizeibeamten habe nicht vorgelegen. Die Beamten hätten damit rechnen müssen, dass der Sohn der Familie nach wie vor im Besitz einer Schusswaffe sei. Zudem sei er bereits zuvor mehrfach wegen Gewalttätigkeiten und Aggressionen gegen Polizisten aufgefallen. Zum Zeitpunkt der Durchsuchung habe deshalb im Raum gestanden, dass er erstens aggressiv gegen andere Personen, auch Polizeibeamte, vorgeht und zweitens nicht zögert, eine möglicherweise scharfe Schusswaffe auf andere Menschen zu richten. Die Polizei habe daher von einer erheblichen Eigengefährdung ausgehen müssen und sei deshalb berechtigt gewesen, zum eigenen Personenschutz mit größtmöglicher Sicherheit vorzugehen.
Auch der Einsatz der Schrotflinte gegen den Familienhund sei noch im Rahmen des pflichtgemäßen Ermessensspielraums gewesen. Über den Hund der Familie sei bekannt gewesen, dass es sich um ein mittelgroßes Tier handelte, das jedenfalls zu früherer Zeit beim Eintreffen eines Polizeibeamten habe weggesperrt werden müssen. Auch insoweit sei den Polizeibeamten aufgrund der akuten Gefährdungslage nicht zuzumuten gewesen, zunächst den Hund einzufangen und dabei gleichzeitig einen Angriff durch einen Täter mit scharfer Schusswaffe zu riskieren (Urt. v. 11.08.2011, Az. 4 O 9039/10; 4 O 9068/10; 4 O 9069/10).
mbr/LTO-Redaktion
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LG Nürnberg-Fürth: . In: Legal Tribune Online, 12.08.2011 , https://www.lto.de/persistent/a_id/4003 (abgerufen am: 22.11.2024 )
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