2/2: Auch SEK-Beamte können arglos sein
Die Kammer sah aufgrund dessen zwei Mordmerkmale erfüllt: Heimtücke und niedere Beweggründe. SEK-Beamte rechneten zwar mit Angriffen. Trotzdem könnten sie arg- und wehrlos sein - wie in diesem Fall der Getötete. "Es kommt auf den konkreten Angriff und die konkrete Situation an", betonte die Vorsitzende Richterin Barbara Richter-Zeininger. Mit den Kollegen an seiner Seite habe sich der 32-Jährige "keiner Gefahr ausgesetzt" gefühlt und dem "plötzlichen Angriff auch nichts entgegensetzen" können.
Genauer erläuterte dies Justizpressesprecher Friedrich Weitner gegenüber LTO: Demnach handelte es sich bei dem getöteten Polizisten um einen sogenannten Techniker, dessen Aufgabe es war, die Tür zu öffnen. Im Gegensatz zu seinen Kollegen sei er unbewaffnet und weniger gepanzert gewesen, so Weitner. Er habe sich vorgebeugt, um die Tür zu öffnen, und sei dann durch die Verglasung hindurch überraschend von einem Schuss getroffen worden.
Das Merkmal des niederen Beweggrundes sah das Gericht darin begründet, dass der Mann aus der Ideologie der Reichsbürger heraus gehandelt habe. Ein Angriff auf einen Repräsentanten des Staates aufgrund einer solchen Denkweise sei "verachtenswert". Der Angeklagte habe seine Rechtsordnung über die der Bundesrepublik gestellt. Eine besondere Schwere der Schuld sah die Kammer dagegen nicht. Damit kann er vorzeitig aus der Haft entlassen werden.
Der Fall wirft wieder einmal ein Schlaglicht auf die Gruppe der Reichsbürger. Diese ist in jüngerer Vergangenheit öfter in Erscheinung getreten, ob im Zusammenhang mit Widerstand gegen die Staatsgewalt wie beim jüngst sehr geräuschvoll verhandelten Fall eines früheren "Mister Germany" oder wegen betrügerischer Machenschaften wie im Fall des selbsternannten "Königs von Deutschland" Peter Fitzek.
Reichsbürger lehnen Staat und seine Gesetze ab
Ihre Anhänger lehnen die Bundesrepublik, deren Organe und Behörden ab und akzeptieren keine amtlichen Bescheide. Sie zweifeln an der Legitimation des deutschen Staates und werden zunehmend zum Problem für Gerichte und Behörden. Der Schütze von Georgensgmünd hatte Anfang 2016 im Einwohnermeldeamt seinen Personalausweis abgegeben.
Auch hatte er, wie unter Reichsbürgern zuweilen üblich, auf seinem Grundstück sein eigenes "Staatsgebiet" ausgerufen und war bereit, dieses mit "Blut, Eisen und Feuer" zu verteidigen, wie die Vorsitzende aus Dokumenten des Angeklagten zitierte. Dieser habe die Bundesrepublik Deutschland und ihre Amtsträger nicht anerkannt und sie als eine GmbH gesehen, an deren Gesetze er sich nicht halten müsse. Stattdessen habe er sich seine eigenen Regeln gegeben - die ihm erlaubten, Gewalt anzuwenden, um sich oder seinen Besitz zu schützen.
Die Anwältin des Verurteilten, Susanne Koller, kündigt an, in Revision zu gehen. Ihrer Ansicht nach ist die Tat nur als fahrlässige Tötung zu werten. Das LG habe sich ihrer Ansicht nach "nicht ganz von dem Druck freimachen können, der hier bestand" - ein Druck, in ihren Augen erzeugt durch Medien und Politik. "Beim BGH befinden wir uns nicht mehr in Bayern und insofern werden wir sehen, was der Bundesgerichtshof aus der Sache macht."
dpa/mam/LTO-Redaktion
Nach den tödlichen Schüssen auf ein SEK: . In: Legal Tribune Online, 23.10.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/25177 (abgerufen am: 22.11.2024 )
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