Das LG Memmingen hat ein falsches Urteil des LG Kempten von 1996 korrigiert. Die Tochter des heute 62-Jährigen Verurteilten gestand nun, die drei Vergewaltigungen, für die ihr Vater ins Gefängnis musste, erfunden zu haben. Heftige Konflikte mit ihren Eltern hätten sie dazu getrieben. Eine Strafe muss sie nicht fürchten.
Sieben Jahre unschuldig im Gefängnis: Ein 62 Jahre alter Vater ist am Dienstag vom Landgericht (LG) Memmingen freigesprochen worden, nachdem seine Tochter den Vorwurf der Vergewaltigung zurückgezogen hat. In dem Wiederaufnahmeverfahren widerrief die heute 33-Jährige ihre Aussage, die vor 17 Jahren zur Verurteilung des Mannes aus Sonthofen im Oberallgäu geführt hatte. Das LG hob das damalige Urteil des LG Kempten auf und verfügte, den 62-Jährigen für die Haftzeit zu entschädigen. Das neue Urteil ist inzwischen rechtskräftig (Urt. v. 29.10.2013, Az. 1 KLS 220 JS 16257/11).
Im Juli 1996 war der Familienvater aufgrund der von seiner Tochter erfundenen Vorwürfe wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern und Vergewaltigung verurteilt worden. Der Angeklagte hatte die Vorwürfe stets bestritten. "Es war kein faires Verfahren", schilderte der 62-Jährige den damaligen Prozessverlauf. Er habe sich von Anfang an vorverurteilt gefühlt. Die siebenjährige Haftstrafe hat der Mann voll verbüßt. Auch nach seiner Haftentlassung stand er noch unter einer fünfjährigen Führungsaufsicht. Für die Zeit seiner Inhaftierung kann er eine Entschädigung von 25 Euro pro Tag verlangen. Darüber hinaus kann er noch Vermögensschäden wie Verdienstausfall geltend machen; davon können Kost und Logis abgezogen werden.
Falschaussage verjährt
Am Dienstag zeigte sich der Angeklagte erleichtert über das Urteil. In seinem Schlusswort hatte er noch einmal unter Tränen beteuert, unschuldig zu sein. Er hoffe, dass es wieder möglich sein wird, zu seiner Tochter und ihrer Familie ein normales Verhältnis aufzubauen. "Ich bin dankbar, dass meine Tochter den Mut gefasst hat, noch zur Wahrheit zu finden." Auch die Richterin hatte der Tochter Respekt für ihren Mut ausgesprochen. "Wir zollen Ihnen Respekt, dass Sie diesen Weg gegangen sind." Strafrechtliche Konsequenzen wegen ihrer Falschaussage hat die junge Frau nicht mehr zu erwarten, der Vorgang ist verjährt.
Unter Tränen beschrieb die heute 33-Jährige, wie es Mitte der 90er Jahre zu ihrer Falschaussage kam: Zwischen ihren Eltern habe es dauernd Streit gegeben. Als sich die Eltern schließlich trennten, habe ihre Mutter sie gegen den Vater aufgehetzt. Sie habe ihr auch glaubhaft gemacht, dass er für die Krebserkrankung der Mutter mitverantwortlich war. "Mein Hass auf meinen Vater wurde immer größer. Ich dachte, ich müsste mich an meinem blöden Vater rächen."
"Nicht der einzige unschuldig Verurteilte"
Nach Auffassung des Gerichts entstanden die schwerwiegenden Anschuldigungen der damals 15-Jährigen auch aus Angst, dass sie nach dem bevorstehenden Tod ihrer Mutter bei ihrem Vater leben muss. Mit Hilfe des Terminkalenders der Mutter konstruierte die Tochter damals eine Geschichte, mit der sie Ermittler, Gutachter und später auch das Gericht überzeugen konnte.
Vertreten wurde der Vater bei dem Wiederaufnahmeverfahren von Rechtsanwalt Johann Schwenn, der auch schon den Wettermoderator Jörg Kachelmann vertrat. Schwenn hofft, dass das Memminger Urteil eine Ermunterung für andere Nebenkläger ist, es der Tochter seines Mandanten gleichzutun und den Mut für die Wahrheit aufzubringen. "Er ist nicht der einzige unschuldig Verurteilte."
dpa/una/LTO-Redaktion
Vergewaltigung erfunden: . In: Legal Tribune Online, 30.10.2013 , https://www.lto.de/persistent/a_id/9927 (abgerufen am: 23.11.2024 )
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