LG Hannover zu kindlichem Spieltrieb: Neun­jäh­rige muss nicht für Unfall auf der Was­ser­rut­sche zahlen

11.02.2016

Das LG Hannover hat entschieden, dass Unfälle zwischen Kindern Ausdruck des Spieltriebs und  des Forschungs- und Erprobungsdranges sind. Eine Neunjährige muss einem Elfjährigem keine 5.000 Euro Schmerzensgeld zahlen.

Mit am Donnerstag verkündetem Urteil hat das Landgericht (LG) Hannover die Klage auf Schadensersatz und Schmerzensgeld im Zusammenhang mit einem Badeunfall des zum Unfallzeitpunkt elfjährigen Klägers gegen die damals neunjährige Beklagte abgewiesen (Urt. v. 11.02.2016, Az. 8 O 80/15).

Die beiden Kinder besuchten 2013 gemeinsam ein Schwimmbad und benutzten dort zusammen mit dem Bruder des neunjährigen Mädchens eine ca. 70m lange Wasserrutsche, wobei der Elfjährige dem Mädchen vorausrutschte. Ob auch der Bruder des Mädchens vor den beiden Kindern oder aber als letzter der drei rutschte, ist zwischen den Parteien streitig. Bei der Rutschfahrt hielten die Kinder in der Rutsche an, um auf diese Weise einen "Stau" zu verursachen. Dies geschah nicht zum ersten Mal und im Einvernehmen mit dem Elfjährigen. Nach Auflösung des Staus rutschte der Junge mit dem Kopf voraus und schlug nach dem Passieren des Rutschenausgangs mit dem Gesicht auf den Beckenboden auf. Dabei brachen die beiden mittleren oberen Schneidezähne ab, die anschließend überkront werden mussten.

Der Junge behauptet, das Mädchen habe ihn beim Weiterrutschen gegen seinen Willen an den Beinen festgehalten, erst am Ausgang der Rutsche losgelassen und ihm zusätzlich noch einen Schub von hinten gegeben. Er begehrt den Ausgleich des Eigenanteils zur zahnmedizinischen Behandlung in Höhe von 518,45 Euro sowie ein Schmerzensgeld in Höhe von 5.000 Euro.

Beim Spielen kommt es auch zu unüberlegtem Verhalten

Die Richter urteilten, dass das Mädchen ungeachtet des zwischen den Parteien im Einzelnen streitigen Geschehensablaufes jedenfalls kein Verschulden treffe. Ein allenfalls in Betracht kommendes fahrlässiges Verhalten der Neunjährigen liege nicht vor. Das Verursachen des Staus und das sich anschließende gemeinsame Rutschen seien letztlich Ausdruck des Spieltriebs sowie eines Forschungs- und Erprobungsdranges, sodass selbst unter Zugrundelegung eines etwaigen Schubes vor dem Rutschenausgang darin allenfalls zum Ausdruck käme, dass es beim Spielen und Erproben auch zu unüberlegten, schädigenden Verhaltensweisen kommen könne, die für ein neunjähriges Kind jedoch unvermeidbar seien.

Daneben sei ergänzend zu berücksichtigen, dass gerade Kinder und Jugendliche sich in ihrem Verhalten von der Dynamik einer Gruppe besonders mitreißen und anstacheln lassen und so die Folgen ihres Handelns typischerweise nicht mit dem - mit fortschreitendem Alter erst noch weiter zu entwickelnden - Verantwortungsbewusstsein übersehen.

acr/LTO-Redaktion

Zitiervorschlag

LG Hannover zu kindlichem Spieltrieb: . In: Legal Tribune Online, 11.02.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/18437 (abgerufen am: 21.11.2024 )

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