Bald starten die ersten Prozesse gegen Impfstoffhersteller. Die Kläger behaupten, durch die Corona-Impfung geschädigt worden zu sein. Sie fordern Schmerzensgeld und Schadensersatz. Die Anwälte erwarten eine "Sachverständigenschlacht".
Deutschlandweit sind nach Angaben von Anwälten mindestens 185 Zivilklagen wegen angeblicher Schäden durch Corona-Impfungen anhängig. Zwei Kanzleien in Düsseldorf und Wiesbaden vertreten nach eigenen Angaben 135 beziehungsweise 50 Fälle. Die Klagen richten sich gegen alle vier großen Hersteller von Corona-Impfstoffen.
Der mutmaßlich erste Prozess sollte zunächst am 28. April vor dem Landgericht (LG) Frankfurt verhandelt werden. Mittlerweile ist der Prozessbeginn allerdings auf den 7. Juli verschoben worden. Beklagter ist der Mainzer Impfstoffhersteller Biontech. Klägerin ist eine Frau, die durch die Covid-19-Impfung unter anderem einen Herzschaden davongetragen haben will. Die Frau, die nach Angaben ihres Anwalts selbst in einem medizinischen Beruf arbeitet, will unbekannt bleiben.
Die Düsseldorfer Kanzlei Rogert & Ulbrich hatte nach eigenen Angaben rund 3.000 Anfragen, aus denen 810 Mandate wurden, von denen 135 in Klagen mündeten. Die Wiesbadener Kanzlei Cäsar-Preller berichtete von 850 Mandaten und 50 Klagen. Auch hier wurden Hunderte Fälle als aussichtslos abgelehnt. Branchenkennern zufolge vertreten diese beiden Kanzleien das Gros der Klagewilligen.
Jeder Fall muss einzeln verhandelt werden oder es wird ein Vergleich erzielt. Knackpunkt ist die Kausalität: Gibt es einen Zusammenhang zwischen der Impfung und dem Schaden? Nach Einschätzung von Juristen und Medizinern wird diese Frage am Ende von Gutachtern entschieden werden.
Für Covid-19-Impfstoffe gelten im Prinzip dieselben Haftungsregeln wie für andere Arzneimittel, etwa nach dem Arzneimittelrecht oder dem Produkthaftungsgesetz. Der Hersteller kann zur Verantwortung gezogen werden, wenn etwa ein Produktionsfehler vorliegt. Wird hingegen das Arzneimittel beispielsweise fehlerhaft verabreicht, haftet die impfende Person.
Biontech: Bisher keine Kausalität nachgewiesen
Der Düsseldorfer Anwalt Tobias Ulbrich erwartet eine "Sachverständigenschlacht" - wenn die Gerichte nicht schon zu Beginn ein "Abschreckungsurteil" fällen, wie er der Deutschen Presse-Agentur sagte.
Biontech betont, "dass bisher in keinem der von Biontech geprüften Fälle ein kausaler Zusammenhang zwischen den dargestellten gesundheitlichen Beeinträchtigungen und der Impfung mit Comirnaty nachgewiesen werden konnte". "Wir nehmen unsere Verantwortung als Impfstoffhersteller sehr ernst", sagte eine Sprecherin der dpa.
Biontech prüfe sorgfältig jeden Fall, in dem Ansprüche gegenüber Biontech geltend gemacht werden. Voraussetzung sei allerdings, dass die Anwälte genügend Unterlagen vorlegen. "Bei der Bewertung des Falls können wir uns allein auf die medizinischen Fakten stützen, um zu evaluieren, ob ein kausaler Zusammenhang besteht oder nicht. Genau daran fehlt es leider sehr häufig."
Daten deuten nicht auf Häufung von Komplikationen hin
Das Paul-Ehrlich-Institut (PEI) veröffentlicht regelmäßig "Sicherheitsberichte". Darin sind folgende schwere Impfkomplikationen aufgelistet: die Herzkrankheit Myo-/Perikarditis, die im Gehirn auftretende Sinusvenenthrombose und weitere Blutgerinnsel, eine Gesichtslähmung, eine Muskelschwäche namens Guillain-Barré-Syndrom und der Hörschaden Tinnitus. Sie alle sind den PEI-Daten zufolge "selten" (ein Fall pro 10.000 bis 1.000 Impfungen) oder "sehr selten" (weniger als Fall pro 10.000 Impfungen).
Das PEI zählt auch die gemeldeten Verdachtsfälle. Ob sich der Verdacht später erhärtet, geht aus dieser Statistik nicht hervor. Dem Institut wurden bis Mitte vergangenen Jahres 323.684 Verdachtsfälle von Nebenwirkungen und Impfkomplikationen gemeldet.
Seit Beginn der Impfungen wurden laut Robert Koch-Institut insgesamt 183 Millionen Einzelimpfungen zum Schutz vor Covid-19 verabreicht. Damit betrug die Melderate für alle Impfstoffe zusammen 1,8 Meldungen pro 1.000 Impfdosen, für Verdachtsfälle schwerwiegender Nebenwirkungen und Impfkomplikationen 0,3 Meldungen pro 1.000 Impfdosen. Die Zahl liegt also im Promillebereich.
Medien berichten immer wieder über dramatische Einzelschicksale. Das heute-journal zeigte zum Beispiel in einem Beitrag eine jugendliche ehemalige Leistungssportlerin, die nach der zweiten Dosis der Corona-Impfung um ihr Leben kämpfen musste und jetzt im Rollstuhl sitzt.
"Fälle wie in dem Beitrag sind aber nach aktueller Datenlage so selten, dass sie nicht als statistische Häufung erfasst sind", sagte Leif Erik Sander, Impfstoffforscher und Leiter der Klinik für Infektiologie an der Berliner Charité danach der Zeit. Solche extremen Folgen könnten in Einzelfällen nach einer Corona-Impfung vorkommen. Wenn es eine Häufung solcher schweren Komplikationen gäbe, sagte Sander, wäre dies in den PEI-Daten und - bei weltweit mehr als 13 Milliarden verimpften Dosen - erst recht in internationalen Daten aufgefallen. Und das sei nicht der Fall.
dpa/acr/LTO-Redaktion
Prozessbeginn im Juli: . In: Legal Tribune Online, 11.04.2023 , https://www.lto.de/persistent/a_id/51515 (abgerufen am: 24.11.2024 )
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