Der Mammut-Prozess um die Loveparade-Katastrophe mit 21 Toten ist für die meisten Angeklagten zu Ende - bestraft werden sie nicht. Einige Hinterbliebene können das nicht verstehen.
Achteineinhalb Jahre nach der Loveparade-Katastrophe mit 21 Toten ist der Prozess gegen die meisten Angeklagten ohne Strafen zu Ende gegangen. Die 6. Große Strafkammer des Landgerichts (LG) Duisburg stellte das Strafverfahren gegen sieben Angeklagte am Mittwoch ohne Auflagen ein (Beschl. v. 06.02.2019, Az. 36 KLs 10/17). Damit ist das Verfahren für sie nach 14-monatiger Hauptverhandlung und 101 Verhandlungstagen beendet.
Trotzdem wird weiterverhandelt: Drei Angeklagte, die eine Geldauflage in Höhe von etwa 10.000 Euro hätten zahlen sollen, haben einer Verfahrensbeendigung auf diesem Weg nicht zugestimmt. Gegen sie wird das Verfahren fortgeführt. Der nächste Termin zur Hauptverhandlung steht bereits am kommenden Dienstag an. In den nächsten Wochen sollen nach den Planungen des Gerichts weitere Polizisten und Mitarbeiter des Veranstalters als Zeugen vernommen werden.
Der Loveparade-Prozess gilt als einer der aufwendigsten Strafprozesse der Nachkriegszeit. Bei dem Techno-Festival waren im Juli 2010 in Duisburg in einem Gedränge 21 junge Menschen zu Tode gedrückt und mehr als 650 verletzt worden. Im Dezember 2017 begann die Aufarbeitung vor Gericht. Die Staatsanwaltschaft warf den Verantwortlichen schwere Planungsfehler vor.
Der Vorsitzende Richter Mario Plein bat um Vertrauen in das Gericht und seine Unabhängigkeit. Er werde zum Ende des Verfahrens in einer Schluss-Feststellung ausführen, wie sich aus Sicht des Gerichts Schuld und Verantwortung an der Loveparade-Katastrophe verteilen. Die individuelle Schuld der Angeklagten sei gering oder allenfalls als mittelschwer anzusehen, hatte das Gericht zuvor bereits argumentiert. Neben Planungsfehlern sieht das Gericht ein kollektives Versagen vieler Personen am Veranstaltungstag als mitverantwortlich für das Unglück. Die Kosten für die eingestellten Verfahren trägt die Staatskasse.
Schwierige Suche nach individueller Schuld
Mehrere Nebenklage-Anwälte und Angehörige von Opfern hatten die Einstellung kritisiert. Nach wie vor bestehe ein öffentliches Interesse an einer Aufklärung, argumentierten sie. Der Vater eines getöteten Loveparade-Besuchers hatte sich unmittelbar vor der Entscheidung des Gerichts am Mittwoch noch gegen die Einstellung des Verfahrens gestemmt und dem Gericht Fehler vorgeworfen.
Duisburgs Oberbürgermeister Sören Link (SPD) zeigte Verständnis für die Enttäuschung. "Die bisherigen Prozesstage haben gezeigt, wie schwierig die Suche nach ursächlicher, individueller Schuld ist – und um diese geht es im Strafrecht", sagte er. "Ich verstehe allerdings auch, wenn die Angehörigen der Opfer und die Menschen, die auf der Loveparade verletzt und traumatisiert wurden, enttäuscht sind." Verteidiger Gerd-Ulrich Kapteina nannte die Einstellung "absolut nachvollziehbar". "Die Anklagevorwürfe haben sich bei meinem Mandanten nicht bestätigt, die Planungsfehler lagen nicht bei der Bauaufsicht", sagte er.
Unter den sieben Beschuldigten, für die der Prozess nun endet, sind sechs damalige Mitarbeiter der Stadt Duisburg sowie ein Mitarbeiter des Loveparade-Veranstalters Lopavent. Die drei Angeklagten, für die der Prozess weitergeht, waren beim Veranstalter Lopavent beschäftigt. Für einen der Angeklagten sagte dessen Anwältin am Dienstag: "Er verzichtet nicht auf sein Recht, freigesprochen zu werden."
dpa/acr/LTO-Redaktion
Drei Angeklagte lehnen Einstellung ab: . In: Legal Tribune Online, 06.02.2019 , https://www.lto.de/persistent/a_id/33707 (abgerufen am: 08.11.2024 )
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