Wegen der Abschaltung zweier Atommeiler erhält der Energieriese EnBW keinen Schadensersatz – weder vom Land noch vom Bund. Das entschied das LG Bonn am Mittwoch, obwohl es die Einstellungsanordnung aus 2011 selbst für rechtswidrig hält.
Das Landgericht (LG) Bonn hat die Klage des Energieproduzenten EnBW gegen die Bundesrepublik sowie das Land Baden-Württemberg auf Schadensersatz wegen der zwangsweisen Abschaltung ihrer Kernkraftwerke Neckarwestheim I und Philippsburg I im Jahr 2011 abgewiesen. Das Gericht verneinte zum einen die Passivlegitimation der Bundesrepublik, zum anderen bestehe gegenüber dem Land Baden-Württemberg kein Amtshaftungsanspruch (Urt. v. 06.04.2016, Az. 1 O 458/14).
Der Energieriese hatte auf Schadensersatz in Höhe von rund 260 Millionen Euro geklagt. Hintergrund war das in Abstimmung von Bundes- und Landesregierung ergangene Moratorium hinsichtlich der noch 2010 beschlossenen Laufzeitverlängerung der Kernkraftwerke. Nach dem Unglück in Fukushima hatten diese beschlossen, dass die ältesten sieben Werke gemäß § 19 Abs. 3 S. 2 Nr. 3 Atomgesetz für mindestens drei Monate vom Netz zu nehmen sind und dies mit einem Gefahrenverdacht begründet. Die Landesministerien wurden daraufhin gebeten, die Einstellung der betroffenen Kraftwerke anzuordnen. In der Folge fuhr EnBW die Werke Neckarwestheim I und Philippsburg I herunter.
EnBW hatte auf Anfechtungsklage verzichtet
Die Rechtmäßigkeit dieser Anordnung wurde schon unmittelbar nach ihrem Erlass von Rechtsexperten in Frage gestellt. Auch EnBW hatte in einer Pressemitteilung im April 2011 verlauten lassen, erhebliche Zweifel an der juristischen Substanz der Entscheidung der politischen Verantwortlichen zu haben. Trotzdem verzichtete EnBW auf die ihr als Betroffene zustehenden Rechtsmittel, da man – so die offizielle Begründung – die Akzeptanz des Unternehmens in der Gesellschaft und Politik nicht gefährden wollte. Aus diesen Gründen verzichtete das Unternehmen auch darauf, die beiden Kraftwerke nach Ablauf der Anordnung wieder hochzufahren. Allerdings erlosch deren Betriebserlaubnis ohnehin mit Änderung des Atomgesetzes im August 2011.
Das Verhalten des Energieproduzenten unmittelbar nach Erlass der Anordnung war für die Richter des Bonner Gerichts ausschlaggebend für ihre Entscheidung. Zwar bejahte das LG, dass EnBW durch die Anordnung der Landesregierung im Auftrag der Bundesregierung ein Schaden entstanden war. Dennoch sah es die Voraussetzung eines Amtshaftungsanspruchs gegen das Land nicht als erfüllt an. Auf diesen kann sich gemäß § 839 Abs. 3 Bürgerliches Gesetzbuch nämlich nicht stützen, wer es vorsätzlich oder fahrlässig unterlässt, den eigenen Schaden abzuwenden.
Ebendies sei EnBW vorzuwerfen, denn das Unternehmen habe es schuldhaft versäumt, gegen die Einstellungsanordnung vor dem Verwaltungsgericht zu klagen, so das Gericht. Dass der Schaden durch eine Anfechtungsklage gegen die besagte Anordnung auch erfolgreich hätte verhindert werden können, daran zweifelt das LG nicht. Denn der Gefahrenverdacht, aufgrund dessen die Anordnung ergangen war, sei nicht begründet gewesen. Bundes- und Landesregierung hätten sich nicht allein auf das Unglück in Fukushima und das Alter der Kernkraftwerke stützen dürfen, so die 1. Zivilkammer. Da keine konkreteren Anhaltspunkte für etwaige Gefahren ersichtlich gewesen seien, sei die Anordnung nach dem Gesetz nicht gerechtfertigt, heißt es in der Gerichtsmitteilung. Auch habe das beklagte Land das ihm zustehende Ermessen nicht ausgeübt, sondern lediglich die Entscheidung der Bundesregierung ohne eigene Abwägung umgesetzt.
Bundesrepublik nicht passivlegitimiert
All dies hätte nach Ansicht des LG auch das zuständige Verwaltungsgericht erkannt – wenn es denn durch Anfechtungsklage beauftragt worden wäre. Schon deren Einlegung hätte indes aufschiebende Wirkung erzeugt und die Abschaltung zum 16.03.2011 abwenden können. Dass EnBW von dieser Maßnahme aus Imagegründen abgesehen hatte, ließ das Gericht nicht gelten. Dies seien strategische Gründe, die eine Unzumutbarkeit einer Klageerhebung im rechtlichen Sinne nicht begründen könnten.
Hinsichtlich der geltend gemachten Schäden für die Zeit nach dem Moratorium fehle es im Übrigen an der Kausalität. Die Anordnung des Landes sei hierfür nicht ursächlich.
Diese Entscheidung konnte die Beteiligten des Rechtsstreits jedoch nicht überraschen. Ihre sich nun aus dem Urteil ergebene Ansicht hatten die Richter bereits in der mündlichen Verhandlung im Februar dieses Jahres durchblicken lassen. Dennoch hatte EnBW an der Klage festgehalten. Womöglich entscheidet hierüber bald die nächste Instanz. EnBW kann innerhalb eines Monats Berufung gegen das Urteil einlegen.
Da die Einstellungsanordnung durch das Land Baden-Württemberg erlassen worden sei, sei die von EnBW mitverklagte Bundesrepublik indes nicht passivlegitimiert, entschied das LG zudem. Es könne dahinstehen, ob das Land auf Weisung des Bundes gehandelt habe. Denn auch im Falle der Bundesauftragsverwaltung im Sinne des Art. 85 Grundgesetz sei nach außen hin stets das jeweilige Bundesland verantwortlich und haftbar. Es könne diesen Schaden dann im Innenverhältnis gegenüber dem Bund geltend machen.
Ulf Nadarzinski, LG Bonn weist Schadensersatzklage von EnBW ab: . In: Legal Tribune Online, 06.04.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/18987 (abgerufen am: 23.11.2024 )
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