Ein Mann raste mit seinem SUV in Berlin in eine Fußgängergruppe, vier Menschen starben. Der Fahrer hätte nach einem epileptischen Anfall und einer Gehirn-OP erkennen können und müssen, dass er nicht fahrtüchtig war, so das Gericht.
Nach einem Unfall mit vier Toten in der Berliner Innenstadt ist der angeklagte Autofahrer zu einer Bewährungsstrafe von zwei Jahren verurteilt worden. Das Landgericht (LG) Berlin sprach den SUV-Fahrer am Donnerstag der fahrlässigen Tötung und fahrlässigen Gefährdung des Straßenverkehrs schuldig (Urt. v. 17.02.2022, Az. 542 KLs 6/21). Das Gericht ging damit über den Antrag der Staatsanwaltschaft hinaus. Der heute 45 Jahre alte Mann war trotz einer Epilepsie-Erkrankung und einer vier Wochen zurückligenden Gehirnoperation Auto gefahren. Zu dem Unfall kam es infolge eines epileptischen Anfalls am Steuer.
Der schwere Wagen des Mannes war am 6. September 2019 über die Gegenfahrbahn hinweg von der Invalidenstraße abgekommen. Der SUV (Sport Utility Vehicle) überschlug sich und tötete vier Menschen auf dem Gehweg - einen Dreijährigen und seine Großmutter im Alter von 64 Jahren sowie zwei 28 und 29 Jahre alte Männer.
Das Gericht entzog dem 45-Jährigen die Fahrerlaubnis und verhängte eine zweijährige Führerscheinsperre. Zudem erhielt er die Auflage 15.000 Euro an einen gemeinnützigen Verein zu zahlen. "Er hätte erkennen können und müssen, dass er sich nicht hinter das Steuer setzen durfte", so das Gericht.
Bundesweites Entsetzen und Diskussionen über SUVs
Der Fall hatte bundesweit für Entsetzen gesorgt - und schnell eine Diskussion um die Gefahren im Straßenverkehr ausgelöst. Anfangs stand dabei die Frage im Zentrum, ob SUV-Fahrzeuge besonders gefährlich sind. Im Prozess war jedoch die Frage nach der Fahrtauglichkeit des Angeklagten zentral, und ob ein epileptischer Krampfanfall für ihn vorhersehbar war. Vermutlich wäre es auch bei einem Kleinwagen zu einem schrecklichen Unfall gekommen, hieß es im Prozess.
Aus Sicht der Staatsanwaltschaft hätte der Unternehmer wegen einer strukturellen Epilepsie und einer Gehirnoperation nur einen Monat vor dem Unfall nicht am Steuer sitzen dürfen. Sie hatte eine Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten auf Bewährung beantragt. Nach Auffassung der Anwälte, die Hinterbliebene als Nebenkläger vertraten, hat der 45-Jährige bewusst gegen ärztliche Auflagen verstoßen.
Der Fahrer hätte sich besser über seinen Gesundheitszustand informieren müssen
Der deutsche Angeklagte hatte zu Prozessbeginn Ende vergangenen Oktober erklärt, er sei zutiefst verzweifelt über das Leid, das sein Unfall verursacht habe. Er habe im Mai 2019 erstmals einen epileptischen Anfall gehabt. Mit einer Tumor-Operation und mit einer Medikation habe er danach alles getan, um einen zweiten Anfall auszuschließen.
Das LG erklärte in einer Pressemitteilung, zwar hätten einige Ärzte den Angeklagten zum Teil falsch oder zumindest unvollständig über seine Fahreignung aufgeklärt, allerdings treffe den Angeklagten wie jeden Fahrzeugführer und jede Fahrzeugführerin die Pflicht, vor jedem Fahrtantritt eigenverantwortlich zu prüfen, ob er bzw. sie tatsächlich am Straßenverkehr teilnehmen kann, ohne sich selbst oder andere zu gefährden. Der Fahrer hätte sich aufgrund der zum Teil widersprüchlichen Angaben der verschiedenen Ärzte ausdrücklich danach erkundigen müssen, welche Regeln für ihn gelten, so der Vorsitzende Richter in seiner mündlichen Urteilsbegründung.
Nach der Verurteilung haben sich die Nebenkläger-Vertreter zufrieden gezeigt. Das Urteil sei sehr gut begründet, sagte Rechtsanwältin Christina Clemm am Donnerstag nach der Verkündung. Das LG Berlin habe deutlich gemacht, dass der SUV-Fahrer angesichts seiner Epilepsie-Erkrankung seine Fahrtauglichkeit hätte überprüfen müssen. "Das Gericht hat auch betont, dass die Ärzte nicht ordentlich aufgeklärt haben - aber ordentlich genug", sagte Clemm. Die Nebenklägerin zeigte sich erfreut darüber, dass die Fahrerlaubnis des Mannes eingezogen wurde.
Die Kammer kam nach Abwägung aller für und gegen den Angeklagten sprechenden Gesichtspunkte zu dem Ergebnis, dass "hier gerade noch eine bewährungsfähige Freiheitsstrafe von zwei Jahren angemessen" sei, heißt es in der Pressemitteilung des Gerichts. Strafmildernd sei neben der teils unzureichenden Aufklärung durch einige Ärzte vor allem der Umstand zu werten, dass der Angeklagte durch seine eigenen Angaben und die Entbindung seiner Ärzte von der Schweigepflicht die umfassende Aufklärung des Falles erst ermöglicht habe. Dabei betonte der Vorsitzende, dass das Strafrecht angesichts des tragischen Todes von vier Menschen hier an seine Grenzen stoße. Nichts könne den Schmerz der Angehörigen lindern.
Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Es kann mit dem Rechtsmittel der Revision angefochten werden.
dpa/ast/LTO-Redaktion
LG Berlin zu Unfall infolge epileptischen Anfalls: . In: Legal Tribune Online, 17.02.2022 , https://www.lto.de/persistent/a_id/47572 (abgerufen am: 24.11.2024 )
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