Dass Fluggäste ihre Entschädigungsansprüche abtreten dürfen, wurde bereits gerichtlich geklärt. Nun entschied das LG Berlin, dass die Airline Wizz Air für die Abtretung keine Gebühren erheben und auch anderweitig nicht erschweren darf.
Eine Gebühr für die Abtretung von Entschädigungsansprüchen von Fluggästen ist unzulässig. Eine solche hatte die Billigfluggesellschaft Wizz Air in ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) vorgesehen. Wettbewerbshüter gingen dagegen vor und das zu Recht, wie das Landgericht (LG) Berlin entschied (Urt. v. 31.08.2021, Az. 103 O 7/20). Das LG sieht einen Verstoß gegen § 3a UWG i.V.m. Art. 15 Fluggastrechte-VO.
Nach Ansicht der klagenden Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs (Wettbewerbszentrale) erschwert Wizz Air den Fluggästen Erstattungen bei Verspätung und Flugausfall. In den AGB der ungarischen Airline sei eine "Abtretungsbearbeitungsgebühr" für den Fall vorgesehen, dass Kunden ihre Entschädigungsansprüche an Fluggastrechteportale oder Legal-Tech-Anbieter abtreten, teilte die Wettbewerbszentrale am Donnerstag mit. Abgetretene Ansprüche werden demnach außerdem nur bearbeitet, wenn Kontakt- und Zahlungsdaten für eine direkte Auszahlung an den Passagier angegeben sind.
LG: "Einschränkung der Fluggastrechte"
Die Wettbewerbszentrale beanstandete beide Regelungen als unangemessene Benachteiligung von Verbraucherinnen und Verbrauchern, denen die Durchsetzung ihrer gesetzlichen Rechte unzulässig erschwert werde - und bekam in erster Instanz vor dem LG Berlin nun Recht. Das Urteil in dieser "Grundsatzfrage" ist nach Angaben Wettbewerbszentrale jedoch noch nicht rechtskräftig.
Wie aus dessen Pressemitteilung hervorgeht, bewertete das LG die Forderung als einen Verstoß gegen § 3a UWG i.V.m. Art. 15 Fluggastrechte-VO. Eine "Abtretungsbearbeitungsgebühr" seitens Wizz Air sei als "materiell-rechtliche Einschränkung der Fluggastrechte" einzustufen. Die Regelung, dass Entschädigungsansprüche nur bei der Angabe von Kontakt- und Zahlungsdaten für eine direkte Auszahlung bearbeitet werden, beschränke ebenfalls den Fluggast in der Ausübung seiner Rechte.
Viele Fluggastrechteportale und Legal-Tech-Anbieter lassen sich die Entschädigungsansprüche von Verbraucherinnen und Verbrauchern abtreten. "Nicht zuletzt die zögerliche Haltung einiger Fluggesellschaften, Fluggäste nach den gesetzlichen Regelungen bei Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen (...) zu entschädigen, war und ist eine wesentliche Grundlage für das Geschäftsmodell der Fluggastrechteportale", erläuterte Rechtsanwalt Patrick Matern von der Wettbewerbszentrale.
Ab Oktober: Verbot von Abtretungsausschlüssen per Gesetz
Bestrebungen von Fluggesellschaften, dieses Geschäftsmodell durch vertragliche Regelungen mit den Fluggästen zu untergraben, führe nicht nur zu einer wesentlichen Einschränkung der gesetzlichen
Ansprüche der Kunden, sondern benachteilige auch Fluggesellschaften, die mit erhöhtem Arbeits- und Verwaltungsaufwand Kundenansprüche bearbeiteten, argumentieren die Wettbewerbshüter.
Wizz Air war für eine Stellungnahme am Donnerstag zunächst nicht zu erreichen.
Dass ein Abtretungsverbot von derartigen Ansprüchen an sich in AGB unwirksam ist, ist in der Vergangenheit bereits gerichtlich geklärt worden. So sah das LG Nürnberg-Fürth darin eine unangemessene Benachteiligung und auch Ryanair konnte sich vor Gericht nicht mit einer derartigen AGB-Klausel durchsetzen.
Künftig wird mit Inkrafttreten des Gesetzes für faire Verbraucherverträge ein Abtretungsausschluss per Gesetz verboten. Ab dem 1. Oktober 2021 findet sich dieser in § 308 Nr. 9 BGB.
pdi/LTO-Redaktion
Mit Material der dpa
LG Berlin zu Entschädigungsansprüchen von Fluggästen: . In: Legal Tribune Online, 23.09.2021 , https://www.lto.de/persistent/a_id/46100 (abgerufen am: 23.11.2024 )
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