Muslima siegt vor LAG: Kas­sie­rerin darf Kopf­tuch tragen

26.04.2018

Die Drogeriemarktkette Müller durfte einer Kassiererin nicht verbieten, am Arbeitsplatz ein Kopftuch zu tragen, entscheid das LAG Nürnberg. Dabei hatte man jedoch schwer mit einem Urteil des EuGH zu kämpfen.

Die Drogeriemarktkette Müller hat vor Gericht eine Schlappe gegen eine Kassiererin hinnehmen müssen. Die Weisung, sie dürfe am Arbeitsplatz kein Kopftuch tragen, sei rechtswidrig, stellte das Landesarbeitsgericht (LAG) Nürnberg mit nun bekannt gewordenem Urteil fest (Urt. v. 27.03.2018*, Az. 7 Sa 304/17). Dahinter verberge sich eine mittelbare Diskriminierung der Angestellten.

Die Frau, die seit 2002 in einer Müller-Filiale als Verkäuferin und Kassiererin angestellt ist, sorgte bei ihrem Arbeitgeber offenbar für Stirnrunzeln, als sie nach ihrer Elternzeit plötzlich mit Kopftuch auf die Arbeit zurückkehrte. Daraufhin forderte die Filialleiterin sie auf, das Kopftuch während der Arbeitszeit abzunehmen, anderenfalls werde man sie nicht weiter beschäftigen.

Dabei stützte sie sich auf eine betriebliche Vorgabe, nach der von allen Beschäftigten eine bestimmte, religiös und weltanschaulich neutrale Kleiderordnung zu beachten sei. Da man viele Menschen aus verschiedenen Nationen beschäftige und solche auch bei der Drogerie einkauften, sei dies eine Maßnahme, um mögliche Konflikte zu vermeiden, argumentierte das Unternehmen.

EuGH entschied in ähnlichen Fällen anders

Gegen diese Weisung wandte sich die Angestellte vor dem Arbeitsgericht (ArbG) Nürnberg, das ihr schließlich recht gab und Müller zur Nachzahlung von zwischenzeitlich nicht gezahlter Vergütung verurteilte (Urt. v. 28.03.2017, Az. 8 Ca 6967/14).

Hiergegen wehrte sich sodann die Drogeriemarktkette mit ihrer Berufung zum LAG, wo man nun allerdings ebenfalls verlor. Auch dort war man der Ansicht, dass die Weisung die Arbeitnehmerin aufgrund ihres religiösen Bekenntnisses mittelbar diskriminiere und nicht durch betriebliche Entscheidungen gerechtfertigt werden könne.

Dazu musste das Gericht, wie aus der Urteilsschrift hervorgeht, allerdings einen hohen Begründungsaufwand betreiben, den ihm vor allem ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) bescherte. Der hatte bereits am 14.03.2017 zu unternehmensinternen Regelungen, die religiöse Kleidung verbieten, Stellung bezogen und klargestellt, dass diese durchaus gerechtfertigt sein können (Az. C-157/15 und C-188/15). Eine Firmenpolitik, die auf religiöse Neutralität ausgerichtet sei, stelle ein legitimes Ziel dar.

Auch "Solange II" kein Hindernis

Um dem zu entkommen, stellte das LAG nun auf eine andere Ausgangslage ab. Die Fälle, in denen der EuGH entschieden habe, beträfen Unternehmen aus dem Dienstleistungssektor, die besonders auf das Wohlwollen ihrer Kunden angewiesen seien. Bei der Drogerie handele es sich dagegen um ein Einzelhandelsunternehmen, bei dem Kunden aus vielen Bevölkerungsgruppen einkauften, darunter, so das Gericht, auch viele Frauen mit Kopftuch. Außerdem sei der Kontakt zwischen Kunden und Mitarbeitern relativ gering, da man sich in dem Laden selbst bediene. Daraus folgerte man offenbar einen signifikanten Unterschied, der keine Rechtfertigung des Kopftuchverbots mehr zulasse.

Einer Vorlage an den EuGH ging man bewusst aus dem Weg, indem man sich ein Hintertürchen offen hielt: Auch wenn europarechtlich betrachtet keine Diskriminierung vorliege, so das LAG, verstoße die Weisung dennoch gegen die grundgesetzlich garantierte Religionsfreiheit, die trotz der EuGH-Rechtsprechung Geltung behalte.

Schließlich gehe es nicht um die Auslegung von Gemeinschaftsrecht, sondern von § 106 Gewerbeordnung (GewO), der dem Arbeitgeber ein Weisungsrecht einräumt. Damit stehe auch nicht die "Solange II"-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 22.10.1986 (Az. 2 BvR 197/83) entgegen, nach der Rechtsakte der Union nicht mehr am Maßstab des Grundgesetzes zu prüfen sind.

So befand man schlussendlich die Weisung für rechtswidrig und bestätigte die Nachzahlung der zwischenzeitlich angefallenen Vergütung.

*Falsches Entscheidungsdatum korrigiert am 27.04.2018, 11.18 Uhr.

mam/LTO-Redaktion

Zitiervorschlag

Muslima siegt vor LAG: . In: Legal Tribune Online, 26.04.2018 , https://www.lto.de/persistent/a_id/28309 (abgerufen am: 19.11.2024 )

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