Ein Flugsicherungsunternehmen darf einem Fluglotsen fristlos kündigen, der seine Pausen nachts mehrfach um 20 Minuten bis zu einer Stunde überzieht, und wenn dadurch sein Arbeitsplatz im Tower unbesetzt bleibt. Dies entschieden die Frankfurter Richter in einem am Montag bekannt gegebenen Urteil.
Die Pflichtverletzung sei so krass, dass - anders als im Regelfall - hier eine vorherige Abmahnung überflüssig gewesen sei, um den Arbeitnehmer zu vertragstreuem Verhalten anzuleiten. Dem Fluglotsen sei klar gewesen, dass seine Arbeitgeberin diese Vertragsverstöße keinesfalls hinnehmen würde, so das Landesarbeitsgericht (LAG, Urt. v. 24.11.2010, Az. 8 Sa 492/10).
Der Mann war ab April 2004 im Tower eines süddeutschen Flughafens im Einsatz gewesen. Während der Nachtschicht ist dort nach den einschlägigen Vorschriften zur Flugsicherung eine Besetzung von zwei Fluglotsen vorgeschrieben. Die Pausen von je zwei Stunden müssen abgesprochen werden, jeder Fluglotse muss auch in der Pause erreichbar bleiben.
Nach Videoaufzeichnungen konnte im Nachhinein rekonstruiert werden, dass der Fluglotse entgegen seinen Eintragungen im Arbeitsplatznachweis an vier Nächten im August 2009 und in einer Nacht im September 2009 die Towerkanzel länger als zwei Stunden verlassen hatte und die Pausen einmal um 20 Minuten, einmal um 45 Minuten und zweimal um etwa eine Stunde überzogen hatte.
Das Flugsicherungsunternehmen erklärte dem Angestellten deshalb die fristlose Kündigung. Das Arbeitsgericht hielt die Kündigung für unwirksam.
LAG: Bequemlichkeit gefährdete Sicherheit des Flugverkehrs
Die dagegen gerichtete Berufung der Arbeitgeberin hatte Erfolg. Das Hessische LAG hielt die Kündigung für wirksam. Insbesondere habe es einer vorherigen Abmahnung des Klägers nicht bedurft.
Die Richter kamen zu der Überzeugung, dass der Mitarbeiter allein "um seiner Bequemlichkeit zu frönen", seinen Arbeitsplatz übermäßig lange verlassen und damit die Sicherheit des Luftverkehrs akut gefährdet hat. Dem Lotsen sei aus einschlägigen Vorschriften und entsprechenden briefings bekannt gewesen, welche Risiken entstehen können, wenn nicht genügend Fluglotsen am Platz sind. Er habe gewusst, dass es gerade deshalb sechs Wochen zuvor nachts zu einer gefährlichen Annäherung zweier Flugzeuge auf dem Flughafen Frankfurt am Main gekommen war. Erschwerend komme hinzu, dass der Kläger seinen Arbeitsplatznachweis falsch ausgefüllt habe und so den Eindruck erwecken wollte, er habe die Pausen vorschriftsmäßig genommen.
Das Flugsicherungsunternehmen hätte deshalb das Recht gehabt, den Mitarbeiter fristlos zu kündigen. Für die Beschäftigung eines Fluglotsen sei das Vertrauen in seine Zuverlässigkeit unabdingbar.
tko/LTO-Redaktion
Mehr auf LTO.de:
LAG Hamm: Falschgeld in der Stadtkasse - Verdachtskündigung wirksam
Unwirksame Kündigung: Wer wirklich krank ist, darf auch mit Krankschreibung drohen
EGMR kassiert Kündigung: Mitarbeiter dürfen Arbeitgeber anzeigen und öffentlich kritisieren
LAG Hessen: . In: Legal Tribune Online, 26.07.2011 , https://www.lto.de/persistent/a_id/3857 (abgerufen am: 24.11.2024 )
Infos zum Zitiervorschlag