Ein ehemaliger Chorleiter erhält rund 20 Jahre nach seiner Kündigung keinen Schadensersatz. Die Rechtskraft der bisherigen Gerichtsentscheidungen werde nicht durchbrochen, entschied das LAG Düsseldorf und wies seine Klage ab.
Das Landesarbeitsgericht (LAG) Düsseldorf hat die auf Schadensersatz gerichtete Klage eines ehemaligen Chorleiters einer katholischen Kirchengemeinschaft abgewiesen (Urt. v. 12.09.2018, Az. 12 Sa 757/17). Er hatte Ersatz für die Vergütung verlangt, die ihm seit seiner Entlassung aus der Kirchengemeinde entgangen war.
Der Mann war bei einer katholischen Kirchengemeinde des Bistums Essen beschäftigt. Später trennte er sich von seiner Ehefrau und lebte mit einer neuen Partnerin zusammen. Als bekannt wurde, dass seine neue Partnerin ein Kind von ihm erwartete, kündigte ihm die Gemeinde. Das war im Jahr 1998.
Der Fall des Mannes beschäftigt die Justiz seitdem immer wieder, der Instanzenzug dürfe seinesgleichen suchen: Nachdem das LAG seiner Kündigungsschutzklage damals statt gab, hoch das Bundesarbeitsgericht (BAG) die Entscheidung wieder auf, das LAG wies die Klage danach ab. Eine dagegen erhobene Nichtzulassungsbeschwerde wurde vom BAG verworfen, eine Verfassungsbeschwerde wurde vom Bundesverfassungsgericht (BVerfG) nicht angenommen.
EGMR sprach dem Mann 40.000 Euro zu
Im September 2010 gab der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) der Beschwerde des Kirchenmusikers statt und stellte einen Verstoß gegen Art. 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) fest. Mit Urteil vom 28.06.2012 sprach der EGMR dem Mann schließlich eine Entschädigung von 40.000 Euro zu. Die deutschen Arbeitsgerichte hätten "nicht sorgfältig genug zwischen den Rechten des Klägers und des kirchlichen Arbeitgebers abgewogen", befanden die Straßburger Richter.
Damit nicht genug: die von ihm daraufhin erhobene Restitutionsklage nach nationalem Recht wurde vom LAG und BAG als unzulässig verworfen. Der in das deutsche Recht eingeführte Wiederaufnahmegrund der vom EGMR festgestellten Konventionsverletzung war auf das Verfahren zeitlich noch nicht anwendbar, entschieden die Gerichte. Die hiergegen gerichtete Verfassungsbeschwerde blieb wieder erfolglos, ein von ihm geltend gemachter Wiedereinstellungsanspruch scheiterte vor dem LAG und dem BAG ebenfalls.
To be continued..?
Seine Schadensersatzklage wurde nun vom LAG am Mittwoch abgewiesen. Es stehe rechtskräftig fest, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung im Jahre 1998 ein Ende gefunden habe. Den Nachweis einer vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung durch die Gemeinde oder das Bistum Essen, die diese Entscheidungen durchbrechen könnte, habe der Mann nicht geführt. Die Kirche habe sich weder in vorsätzlicher Weise rechtskräftige Urteile erschlichen, noch im damaligen Kündigungsschutzverfahren bewusst falsche oder unvertretbare Tatsachen vorgetragen, so das LAG.
Die dauerhafte außereheliche Beziehung des Musikers sei nach kirchenrechtlichem Verständnis an sich als Kündigungsgrund geeignet gewesen. Der EGMR habe das nicht beanstandet, sondern wörtlich ausgeführt, dass dies "an sich kein Problem darstellt". Auch habe die Kirche nicht bewusst falsch oder unvertretbar vorgetragen, dass der Kirchenmusiker eine Nähe zum "Verkündungsauftrag" gehabt habe. Dazu hatte der EuGH erst am gestrigen Dienstag im Falle eines Chefarztes entschieden, dass sich eine berechtigte berufliche Anforderung einer Kirche aus der Tätigkeit ergeben kann, z.B. wenn sie mit der Mitwirkung an der Bestimmung des Ethos der betreffenden Kirche oder einem Beitrag zu deren Verkündigungsauftrag verbunden ist.
Das letzte Wort könnte das LAG damit allerdings noch immer nicht gesprochen haben. Das Gericht ließ die Revision zu.
acr/LTO-Redaktion
Kündigung wegen außerehelicher Beziehung: . In: Legal Tribune Online, 12.09.2018 , https://www.lto.de/persistent/a_id/30899 (abgerufen am: 19.11.2024 )
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