LAG zu Vergleich der betrieblichen Verhältnisse mit Nazi-Diktatur: Allen­falls an Wei­marer Repu­blik ange­knüpft

09.03.2016

Überwachung in einem totalitären Regime habe man eigentlich vor 70 Jahren hinter sich gebracht, schrieb ein Betriebsratsmitglied seinem Arbeitgeber. Dadurch habe er den Betrieb nicht mit der NS-Zeit gleichgestellt, so das LAG Düsseldorf.

Das Landesarbeitsgericht (LAG) Düsseldorf hat die Klage eines Senioren- und Pflegezentrums abgewiesen, das einem Betriebsratsmitglied außerordentlich kündigen wollte (Beschl. v. 04.03.2016, Az. 10 Ta BV 102/15). Der Mann gehörte bereits seit 20 Jahren dem Betriebsrat an. Nachdem er von geplanten Maßnahmen zur Mitarbeiterüberwachung erfuhr, schrieb er an den Einrichtungsleiter und die Aufsichtsratsmitglieder eine E-Mail, von der der Geschäftsführer Kenntnis erhielt. Darin hieß es unter anderem: 

"…wie ich von mehreren Mitarbeitern erfahren habe, beabsichtigen Sie wöchentlich eine Überwachungskontrolle, mit technischen Gerätschaften, der Mitarbeiter in der Pflege durchzuführen. Es soll damit festgestellt werden, wie viel Zeit der Mitarbeiter benötigt, bis er dem Klingelruf des Mitarbeiters nachkommt. Hier findet eine einseitige Maßnahme des Arbeitgebers statt, die einen dringlichen Handlungsbedarf des Betriebsrats vorsieht gemäß einer einstweiligen Verfügung. Die Überwachung in einem totalitären Regime haben wir vor 70 Jahren hinter uns gebracht, auch wenn hier im Kleineren gehandelt wird, so ist dies der Anfang von dem was dann irgendwann aus dem Ruder laufen kann. …"

Äußerung von Meinungsfreiheit geschützt

Der Betriebsrat erteilte die Zustimmung zur fristlosen Kündigung des Mannes nicht. Vor dem LAG begehrte der Arbeitgeber die Ersetzung der Zustimmung.

Erfolglos. Ein Grund für die fristlose Kündigung des Betriebsratsmitglieds liege nicht vor, so das Gericht. Zwar sei ein Vergleich betrieblicher Verhältnisse mit dem nationalsozialistischen Terrorregime in der Regel ein Grund für eine fristlose Kündigung. Eine solche Gleichsetzung sei in der E-Mail aber nicht enthalten. Das Betriebsratsmitglied warne vielmehr vor einer möglichen künftigen Entwicklung und setze den gegenwärtigen Zustand somit allenfalls mit den Verhältnissen in der Weimarer Republik gleich.

Es gehe ihm darum, dass man Entwicklungen von Beginn an beobachten muss, "bevor etwas aus dem Ruder läuft." Eine solche Äußerung sei von der Meinungsfreiheit geschützt, befanden die Düsseldorfer Richter. Auch die übrige Kritik des Betriebsratsmitglieds, u.a. an der (vom Arbeitgeber bestrittenen) Unterbesetzung im Tages- und Nachtdienst enthalte zulässige Werturteile, die sich im Rahmen seiner Funktionen als Betriebsrats- und Aufsichtsratsmitglied hielten.

acr/LTO-Redaktion

Zitiervorschlag

LAG zu Vergleich der betrieblichen Verhältnisse mit Nazi-Diktatur: . In: Legal Tribune Online, 09.03.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/18709 (abgerufen am: 19.11.2024 )

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