Prozess nach Todesfahrt am Berliner Ku'damm: Mut­maß­li­cher Fahrer schweigt

07.02.2023

Ein Auto raste 2022 in Fußgängergruppen, die zwischen Gedächtniskirche und dem Luxuskaufhaus KaDeWe in Berlin unterwegs waren. Erst ein Schaufenster konnte die Fahrt stoppen. Nun steht ein 29-Jähriger vor Gericht.

Acht Monate nach der Todesfahrt am Berliner Ku'damm mit zahlreichen Opfern aus Hessen hat der Prozess gegen den mutmaßlichen Fahrer begonnen. Die Staatsanwaltschaft wirft dem 29-Jährigen Mord und versuchten Mord sowie gefährliche Körperverletzung vor.

Er soll am 8. Juni 2022 mit einem Auto auf dem Kurfürstendamm (Ku'damm) und der Tauentzienstraße mit Absicht in Fußgängergruppen gefahren sein. Ihm sei dabei bewusst gewesen, dass es Todesopfer geben könnte. Das habe er billigend in Kauf genommen, so der Vorwurf. Sein Mandant werde sich dazu zunächst nicht äußern, erklärte sein Verteidiger am Dienstag vor dem Landgericht in Berlin.

Beschuldigter derzeit im Maßregelvollzug

Der 29-Jährige ist seit der Todesfahrt in einem Krankenhaus des Maßregelvollzugs untergebracht. Ein vorläufiges psychiatrisches Gutachten legt laut Staatsanwaltschaft die Schuldunfähigkeit des Mannes nahe. In einem sogenannten Sicherungsverfahren strebt Staatsanwältin Silke van Sweringen die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an. Seit mindestens 2014 sei der Mann an Schizophrenie erkrankt. Ohne Behandlung ist aus Sicht der Behörde zu befürchten, dass der Beschuldigte weitere gefährliche Taten begeht.

An jenem Junitag 2022 soll der 29-jährige mit der Absicht, viele Menschen zu verletzen, zunächst auf den Gehweg am Ku'damm gerast sein, wo sich eine Schulklasse aus Nordhessen aufhielt. Die 51 Jahre alte Lehrerin kam ums Leben. Ein Kollege sowie elf Schülerinnen und Schüler wurden verletzt, manche lebensgefährlich. Auch eine 14-Jährige, die in Berlin zu Besuch war, gehörte zu den Betroffenen.

Retraumatisierung von Opfern befürchtet

Danach habe der Beschuldigte "die Fahrt ungebremst fortgesetzt", so Staatsanwältin van Sweringen. "Die Fahrt endete erst, als er ein Schaufenster durchbrach." Zuvor erfasste der Wagen eine 32-Jährige, die im siebten Monat schwanger war, sowie zwei vor einem Imbiss stehende 29 und 31 Jahre alte Männer und verletzte diese schwer.

Wie der Vorsitzende Richter Thomas Groß zum Prozessauftakt erklärte, besteht bei zahlreichen Opfern die Gefahr einer Retraumatisierung durch das Verfahren. Vor allem den betroffenen Jugendlichen will er darum nach Möglichkeit eine zusätzliche psychische Belastung durch eine Zeugenvernehmung ersparen. Um ihre Erlebnisse gleichwohl im Prozess berücksichtigen zu können, sollen frühere Aussagen verlesen werden. Er wolle so den jungen Leuten "hier Raum geben, ohne sie in diesen Raum zu zwingen", erklärte Groß. Elf Opfer sind laut Gericht auch als Nebenkläger an dem Verfahren beteiligt.

Am ersten Prozesstag wurde zunächst ein Sachverständiger zum Verlauf des Vorfalls gehört. Am zweiten Prozesstag am 17. Februar plant die zuständige 22. Strafkammer, den Lehrer aus Hessen als Zeugen zu vernehmen. Bislang hat das Gericht insgesamt zwölf Verhandlungstage geplant. Das Urteil könnte demnach am 21. April gesprochen werden.

dpa/ku/LTO-Redaktion

Zitiervorschlag

Prozess nach Todesfahrt am Berliner Ku'damm: . In: Legal Tribune Online, 07.02.2023 , https://www.lto.de/persistent/a_id/51006 (abgerufen am: 20.11.2024 )

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