Hat sich Heiko Maas zu sehr in die Justiz eingemischt? Kabinettskollege Wolfgang Schäuble sieht das so und wird ungewohnt deutlich. Renate Künast drängt unterdessen auf Aufklärung von Maas' Rolle in der Affäre netzpolitik.org.
Es ist eine absolute Seltenheit, dass sich Bundesminister untereinander zum Rücktritt auffordern. Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) hat genau das getan, Richtung Heiko Maas (SPD). Schäuble meint, Maas habe sich vor ein paar Wochen mit Äußerungen zum Sexualstrafrecht in das laufende Verfahren des Models Gina-Lisa Lohfink eingemischt. Im CDU-Präsidium vor einer Woche soll sich Schäuble schwer darüber aufgeregt und den Satz gesagt haben: "Ein anständiger Minister müsste da zurücktreten."
Schäubles Sprecher bestätigen dies nicht, aber sie dementieren es auch nicht, sondern lassen die Sache laufen. Das Ganze kommt auch nicht völlig überraschend. Schäuble hat zuvor schon in kleinerer Runde deutlich gemacht, dass er Maas deshalb auf dem Kieker hat. Und dass er sich wundert, dass nicht mehr Kritik an dem SPD-Kollegen in der Sache laut wird. Aber das Ganze nach außen tragen? Und gleich den Rücktritt nahelegen - einem Kollegen am Kabinettstisch? SPD-Leute schimpfen, das sei "schlechter Stil", ein "billiger Angriff", eine "schwere Belastung für die Koalition", "absurd", "haltlos", gar "perfide".
Ist Schäuble ehrlich empört über das Fehlverhalten eines Ministers? Oder ist es eine Retourkutsche dafür, dass auch aus der SPD schon Rücktrittsaufrufe in Richtung CDU gingen, an Innenminister Thomas de Maizière? Ist es ein Ablenkungsmanöver angesichts der schwierigen unionsinternen Debatten, ein Ausdruck des raueren Tons unter den Koalitionären im letzten Jahr der Wahlperiode? Oder ist es einfach der Versuch, das Image eines Ministerkollegen anzukratzen, der sich vom wenig bekannten Saar-Politiker zum SPD-Hoffnungsträger gemausert hat?
Keine Einmischung in Sachen Gina-Lisa nachweisbar
Maas hat in dieser Wahlperiode Gesetze im Akkord produziert. Frauenquote, Mietpreisbremse, Ausweisungsrecht, Anti-Terror-Gesetze, neue Vorgaben in Sachen Verbraucherschutz. Ihm werden Aktionismus und Symbolpolitik vorgeworfen, aber auch, dass er manchmal übers Ziel hinaus schießt.
Dass Maas wirkliches Unheil in der Gina-Lisa-Affäre droht, scheint wenig wahrscheinlich. Zwar hat er sich in klarem zeitlichem Zusammenhang zum Fall Lohfink für ein härteres Sexualstrafrecht ausgesprochen. Doch ein direkter Bezug zu dem Prozess ist ihm - anders als seiner Parteifreundin, Familienministerin Manuela Schwesig, die sogar den Wortlaut von Gina-Lisa Lohfink aufgriff, um sich für die Reform des Sexualstrafrechts einzusetzen - nicht nachzuweisen, ebensowenig eine Einmischung in das Strafverfahren.
Möglicherweise unangenehmer könnte sich noch die Affäre um den Blog netzpolitik.org entwickeln. Dabei steht der Vorwurf im Raum, Maas habe den Rechtsausschuss des Bundestags belogen. Maas hatte den damaligen Generalbundesanwalt Harald Range im vergangenen Jahr im Zuge der Affäre in den Ruhestand versetzt, während der gegen die Macher des Blogs wegen Landesverrats ermittelte. Range hatte betont, es habe eine Weisung des Ministeriums gegeben, die Ermittlungen einzustellen - und Maas hatte dem widersprochen. Es soll aber einen Vermerk eines ehemaligen Range-Mitarbeiters geben, nach dem die Darstellung von Maas nicht stimmt.
Eine Lüge ohne Not in Sachen netzpolitik.org?
Es geht also dabei nicht um den Vorwurf, dass Maas sich per Weisung eingemischt haben könnte. Sondern vielmehr darum, ob er das abgestritten und dabei nicht die Wahrheit gesagt hat. Die Rechtsausschuss-Chefin Renate Künast von den Grünen pocht vehement auf Aufklärung der seit Wochen schwelenden Angelegenheit.
Sollte Maas nicht die Wahrheit gesagt haben, hätte er - rein rechtlich gesehen - ohne Not gelogen. Der Bundesjustizminister ist befugt, dem Generalbundesanwalt Weisungen zu erteilen. Beim obersten Staatsanwalt des Bundes handelt es sich, anders als bei den Generalstaatsanwälten der Länder, die Laufbahnbeamte sind, um einen politischen Beamten, dessen Amt von dem Vertrauen des Fachministers abhängig ist.
Politisch aber gilt es als nicht opportun, von diesem Gebrauch zu machen. Die offizielle Erteilung einer Weisung wird in der Regel von Justiz, aber vor allem auch von Presse und Öffentlichkeit als Einmischung in die Unabhängigkeit der Justiz betrachtet. Ein Bild, das dem, das Heiko Maas von sich in seiner Position als Justizminister bisher malte, sicherlich nicht entspricht.
pl/LTO-Redaktion
Mit Materialien von dpa
Schäuble versus Maas: . In: Legal Tribune Online, 05.09.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/20484 (abgerufen am: 23.11.2024 )
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