Weltweit werden strategische Prozesse im Zusammenhang mit dem Klimawandel geführt. Die Zahl hat sich in den vergangenen fünf Jahren mehr als verdoppelt, ergibt sich aus einem am Donnerstag veröffentlichten Bericht des UN-Umweltprogramms.
"Die Menschen wenden sich zunehmend an die Gerichte, um die Klimakrise zu bekämpfen", sagte Inger Andersen vom UN-Umweltprogramms (UNEP). Die Menschen zögen Regierungen und Unternehmen zur Rechenschaft, indem sie Rechtsstreitigkeiten zu einem Schlüsselmechanismus des Klimaschutzes machten, so Andersen.
Einem am Donnerstag veröffentlichten Bericht des UNEP zufolge seien 2022 weltweit knapp 2200 "Klimaklagen" verhandelt worden. Bei der ersten Auflage des Berichts 2017 waren es noch weniger als 900. Die Zahl der Gerichtsverfahren hat sich demnach in den vergangenen fünf Jahren mehr als verdoppelt.
Zu den international auch als "climate change litigation" bekannten "Klimaklagen" werden strategisch geführte Prozesse (strategic litigation) gezählt, in denen strengere Klimaschutzvorgaben eingeklagt werden. Darunter fallen zudem Klagen gegen die Nutzung fossiler Energien, Klagen gegen Greenwashing und für mehr Unternehmenshaftung. Das UNEP hatte für den Bericht in Zusammenarbeit mit der Columbia University in New York City eine Datenbank zu klimaspezifischen Gerichtsprozessen ausgewertet. Danach wurden die meisten Prozesse in den USA geführt. Knapp ein Fünftel der Verfahren ereigneten sich in Entwicklungsländern.
Ein Leitfaden für zukünftige Klimaprozesse?
Der Report sei ein wichtiges Hilfsmittel für erfolgreiche Klimaklagen, weil vergangegene Prozesse analysiert würden, so der Direktor des beteiligten Forschungsinstituts. Dem Bericht zufolge schaffe die Auswertung der "Klimaklagen" einen Überblick und bringe mehr Klarheit in das Rechtsgebiet des Klimarechts.
Dazu ordnet der Report Klimaprozesse in sechs Kategorien ein. Eine davon bilden beispielsweise Ansprüche aus Unternehmenshaftung wegen Umweltschäden. Außerdem listet der UN-Bericht die weltweit bedeutensten Klimaprozesse auf. Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BverfG) zum Bundes-Klimaschutzgesetz (KSG) wird darin als Durchbruch präsentiert. Das Gericht entschied unter anderem, dass das KSG mit seinen zurückhaltenden Klimazielen das Grundrecht auf Leben und Gesundheit verletzt habe.
Die Klimarechtsexperten stellen aber auch juristische Gegenreaktionen fest, die sie als "Anti-Klimaklagen" bezeichnen. Neben der Strafverfolgung von Klimaktivisten geht es dabei vor allem um Investitionsschiedsverfahren. Zum Beispiel verklagte ein Bergbauunternehmen den kolumbianschen Staat erfolgreich auf Schadensersatz, weil dieser die Abbaukonzession wegen eines Naturschutzgebiets einschränkte.
Verfahren wegen Extremwetter und Migration erwartet
Trotzdem betrachtet das UNEP Gerichtsverfahren vor allem als strategisches Instrument für mehr Klimaschutz. In der Zukunft erwarten die UNEP-Experten weitere "Klimaklagen" insbesondere von Mitgliedern indigener Völker, die oft besonders stark von den Auswirkungen des Klimawandels betroffen sind.
Zudem prognostizieren die Autoren des Berichts häufigere Streitigkeiten über die Haftung nach extremen Wetterereignissen. Auch Verfahren zur Klimamigration würden zunehmen.
In Deutschland werden immer wieder Klimaschutzprozesse geführt, sowohl gegen Unternehmen als auch gegen den Staat. Im Februar verklagte ein Biobauer aus Detmold den Autokonzern VW erfolglos. Der Mann wollte den Autobauer zwingen, keine Autos mit Verbrennermotoren mehr zu verkaufen.
Seit März diesen Jahres läuft außerdem erstmals ein Prozess vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte über eine Klimaklage.
Mehr über Klimaklagen in Deutschland und weltweit im Klimaparagrafen-Podcast. Und noch mehr Interviews, Nachrichten und Analysen zu Klima und Recht gibt es im LTO Klima und Recht-Dossier.
UN-Umweltprogramm analysiert Klimaklagen: . In: Legal Tribune Online, 27.07.2023 , https://www.lto.de/persistent/a_id/52354 (abgerufen am: 18.11.2024 )
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