Die Ansprache wird eindringlicher: Der Präsident der BRAK wendet sich direkt an die Abgeordneten des rheinland-pfälzischen Landtages. In seinem Schreiben bat er, über die Schließung des OLG Koblenz nicht ohne überzeugende Gründe zu entscheiden. Vorgeschobene Gründe moniert auch der Präsident des LG Koblenz in einem Leserbrief an den Verein "Pro Justiz Rheinland e.V.".
Die Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK) hat erhebliche Bedenken an der geplanten Schließung des Oberlandesgericht (OLG) Koblenz. Grund für die Schließung ist der Koalitionsvertrag der neuen Regierungsparteien in Rheinland-Pfalz, wonach die Oberlandesgerichte Zweibrücken und Koblenz auf ein Gericht vereint werden sollen.
Geplanter Sitz des neuen OLG soll Zweibrücken werden, das OLG Koblenz würde damit faktisch aufgelöst. Die Landesregierung rechtfertigt die Reform bislang mit der "verfassungsrechtlich verankerten Schuldenbremse" und erhofften Einsparungen.
Die BRAK bemängelt in erster Linie, dass es keine belastbaren Daten über mögliche Einsparungen gebe. Überhaupt habe niemand nachprüfbare Informationen über die Auswirkungen einer Schließung.
Das deutsche Rechtssystem nehme international eine herausragende Stellung ein – dieser Erfolg werde konterkariert, wenn das OLG Koblenz als "mehr als 60 Jahre bestehende, anerkannte und leistungsfähige Institution auf dem Altar vemeintlicher fiskalischer Notwendigkeiten geopfert werden", so BRAK-Präsident Axel C. Filges.
Leserbrief von Landgerichtspräsident Graefen
Ebenfalls nicht an Kritik spart der Präsident des Landgerichts Koblenz (LG) Hans-Josef Graefen in einem Leserbrief an den Verein "Pro Justiz Rheinland e.V.". Von der geplanten Reform ist nicht nur das OLG Koblenz betroffen, auch das Verwaltungsgericht (VG) in Mainz soll aufgelöst werden. Für Graefen ist das "gerichtsorganisatorischer Unsinn", schließlich handele es sich um das VG der "Landeshaupt- und Universitätsstadt Mainz mit der zentralen Zuständigkeit für die Numerus-Clausus-Verfahren".
Der Präsident des LG Koblenz wehrt sich in erster Linie gegen seiner Ansicht nach fehlerhafte Argumente, mit denen die Landesregierung die Reform rechtfertigen wolle. Geschäftszahlen der Gerichte seien rückläufig, hieß es, Graefen weist jedoch darauf hin, dass "die Geschäftszahlen beim OLG Koblenz im letzten Jahr deutlich gestiegen waren und man für 2011 Rekordeingänge hochrechnen" könne. Beim VG Mainz seien die Eingänge im Jahr 2010 ebenfalls deutlich gestiegen.
Die Reform verursache Kosten
Für das Argument des Sparzwangs hat Graefen noch weniger Verständnis. Schließlich bedürfe es für einen Sparansatz einer Feststellung der Kosten und darüber hinaus auch des Beweises, dass Sparen sich lohnen könne. Eine "Grundlagenerhebung" sei "indes nie erfolgt", so Graefen, sondern "schlicht und einfach ins Blaue hinein behauptet".
Der Landgerichtspräsident führt weiter aus, dass es keiner "betriebswirtschaftlichen Fachkenntnisse" bedürfe, um "zu der sicheren Gewissheit zu gelangen, dass mit einer [...] Verlagerung des größeren Gerichts [...] nicht die geringste Einsparung zu erzielen ist". Inzwischen habe selbst der Justizminister verlauten lassen, dass die Reform "zunächst einmal sogar teurer werden" könne.
Für die Reform sei auch das "günstige Zeitfenster" in Bezug auf "Stellenvakanzen" ins Feld geführt worden. Graefen zweifelt bereits an der grundsätzlichen Eignung von Stellenvakanzen, Gerichtsreformen zu rechtfertigen. Noch viel mehr stört ihn die "Ungleichung", in der das Vakanz-Argument angebracht wurde.
Reformantrieb Stellenvakanz?
"Weil die Präsidentenstelle in Koblenz frei ist, verlagert man das OLG nach Zweibrücken. [...] Weil die Stelle des Generalstaatsanwalts in Zweibrücken vakant ist, verlagert man die Generalstaatsanwaltschaft Koblenz ebenfalls nach Zweibrücken." Dass die Landesregierung ihre Argumentation selbst nicht ernst nehme, sieht Graefen in der Stellenbesetzung am VG Koblenz bewiesen.
Der zum 1. September 2011 frei gewordene Posten des Gerichtspräsidenten beim VG Koblenz sei nicht als "geöffnetes Zeitfenster" für die Schließung des VG Mainz beachtet worden. Vielmehr sei dem Nachfolger für das Amt die Ernennungsurkunde bereits am 21. Juni 2011 übergeben worden.
Wenig überzeugend sind nach Meinung von Graefen auch der "demographische Wandel", der "Ländervergleich" oder "strukturpolitische Aspekte". Graefen bedauert zudem, dass die Arbeitsgruppe zur Grundlagenermittlung, die erst am 28. Juni 2011 ihre Arbeit aufgenommen hat, ihren Bericht bis Ende 2011 vorlegen muss. Eine ergebnisoffene Prüfung sei ausgeschlossen, der Prüfungsauftrag nicht einmal schriftlich vorgegeben worden, so Landgerichtspräsident.
ssc/LTO-Redaktion
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Justizreform Rheinland-Pfalz: . In: Legal Tribune Online, 05.08.2011 , https://www.lto.de/persistent/a_id/3948 (abgerufen am: 04.11.2024 )
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