Nach der Kritik an dem Akkreditierungsverfahren des OLG München für den NSU-Prozess unterbreitet die Justizpressekonferenz aus Karlsruhe nun in einem offenen Brief einen Lösungsvorschlag: Eine Videoübertragung der Verhandlung in einen Nebenraum könnte dafür sorgen, dass auch türkische Medienvertreter aus erster Hand von dem Prozess berichten können.
Trotz des großen Medieninteresses stehen in dem Saal, in dem das NSU-Verfahren stattfinden wird, nur 50 Sitzplätze für Journalisten zur Verfügung, die nach dem Prioritätsprinzip vergeben worden sind. Insbesondere die internationale Presse, allen voran türkische Journalisten, sehen sich durch dieses "Windhundprinzip" benachteiligt. Sie hätten sich gewünscht, dass ein Teil der Plätze für Berichterstatter aus dem Ausland reserviert worden wären. Dem Gericht wird mangelndes Fingerspitzengefühl vorgeworfen.
Nun wendet sich die Justizpressekonferenz - ein Zusammenschluss von Rechtsjournalisten, die aus Karlsruhe berichten - mit einem offenen Brief an das Oberlandesgericht (OLG) München und unterbreitet einen Vorschlag.
Man sei sich bewusst, dass das Gericht bereits im Vorfeld des NSU-Verfahrens schwierigste Aufgaben zu bewältigen habe. Trotzdem bleibe ein grundlegendes Unverständnis, warum kein differenzierendes Auswahlverfahren bei der Vergabe der Presseplätze praktiziert wurde. Angesichts der Besonderheiten des Verfahrens wäre dies, insbesondere mit Blick auf die türkisch-sprachigen Medien, dringend notwendig gewesen, heißt es in dem Brief.
Der vermutlich letzte "gangbare Weg", um türkischen Medien den Zugang zu diesem "historischen Prozess" teilweise doch noch zu ermöglichen, sei es, Bild und Ton in einen Nachbarraum zu übertragen. Dies ist nach Einschätzung der Rechtsjournalisten auch rechtlich zulässig. Schließlich werde hierdurch keine Medienöffentlichkeit hergestellt, sondern nur eine Gerichtsöffentlichkeit. Insofern gebe es kein Problem mit §169 Abs. 2 Gerichtsverfassungsgesetz. Eine Beanstandung der Übertragung durch den Bundesgerichtshof sei daher nicht zu befürchten.
Die Justizpressekonferenz wies zudem daraufhin, dass es beim Gerichtshof der Europäischen Union in Luxemburg sowie beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg völlig selbstverständlich sei, auch bei heiklen Kartellverfahren oder privaten familienrechtlichen Fragen Verhandlungen in Ton und Bild in einen Nachbarraum zu übertragen.
mbr/LTO-Redaktion
Offener Brief zum NSU-Prozess: . In: Legal Tribune Online, 03.04.2013 , https://www.lto.de/persistent/a_id/8456 (abgerufen am: 22.11.2024 )
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