Beleidigung eines Staatsoberhaupts durch Erdogan-Gedicht?: Regie­rung ermäch­tigt zu Ermitt­lungen gegen Böh­m­er­mann

von Pia Lorenz

15.04.2016

Die Staatsanwaltschaft darf gegen Jan Böhmermann wegen Beleidigung eines Staatsoberhaupts ermitteln, die Bundesregierung hat die Ermächtigung dazu erteilt. § 103 StGB soll aufgehoben werden, die Vorschrift sei entbehrlich.

Die Bundesregierung hat ihre Entscheidung getroffen. Sie wird sich der Strafverfolgung gegen Jan Böhmermann wegen des Verdachts auf Beleidigung eines Organs ausländischer Staaten nach § 103 Strafgesetzbuch (StGB) nicht widersetzen. Das teilte Angela Merkel am Freitag in Berlin mit.

Sie reagierte damit auf die Verbalnote der Türkei an das Auswärtige Amt. Die hatte nach dem umstrittenen Gedicht über den türkischen Präsidenten gefordert, gegen den 35-Jährigen vorzugehen. Mit der Erklärung der Regierung ist eine Bedingung der Strafverfolgung nach § 104 StGB gegeben, ohne welche die Staatsanwaltschaft nicht nach § 103 StGB gegen Böhmermann ermitteln könnte. Die Vorschrift bedroht die Beleidigung von Staatsoberhäuptern im Höchstfall mit fünf Jahren Freiheitsstrafe und sieht damit ein weit höheres Strafmaß vor als die normale Beleidigung nach § 185 StGB.

Die Bundeskanzlerin wies auch darauf hin, dass man die Vorschrift des § 103 StGB allerdings in Zukunft für entbehrlich halte. Die Bundesregierung werde deshalb einen Gesetzentwurf zu ihrer Aufhebung vorlegen, der noch in dieser Wahlperiode verabschiedet werden und 2018 in Kraft treten solle. Am Fall Jan Böhmermann dürfte diese Aufhebung also nichts mehr ändern.  

Im Rechtsstaat entscheidet die Justiz, nicht die Bundesregierung

Im konkreten Fall Böhmermann erteile die Bundesregierung die Ermächtigung zur Aufnahme von Ermittlungen durch die Justiz, so die Kanzlerin, die bestätigte, dass es darüber in der Koalition unterschiedliche Auffassungen zwischen der SPD und der Union gegeben habe.

Im Rechtsstaat sei es Aufgabe von Staatsanwälten und Gerichten, nicht der Regierung, die kollidierenden Rechtsgüter gegeneinander abzuwägen, so Merkel. Die unabhängige Justiz garantiere, dass Verfahrensrechte des Betroffenen gewahrt werden. In der Erteilung der Ermächtigung liege daher weder eine Vorverurteilung des Betroffenen noch eine vorgreifende Entscheidung über die Kunst-, Presse- oder Meinungsfreheit. Diese Entscheidung besage vielmehr nur, dass es die Staatsanwaltschaft und die Gerichte sind, und nicht die Regierung, die das letzte Wort haben werden.

Merkel betonte die enge und freundschaftliche Verbindung Deutschlands zur Türkei. In dieser Partnerschaft seien aber die gegenseitige Achtung und der offene Austausch zu den Entwicklungen des Rechtstaats, der Unabhängigkeit der Gerichte und des Meinungspluralismus von großer Bedeutung. Sie sprach auch das Schicksal türkischer Journalisten an, das sie "mit großer Sorge" erfülle. Die Bundesrepubik werde auch in Zukuft diese Werte anmahnen, sagte die Bundeskanzlerein.

Sie wolle dafür eintreten, dass bei den Partnern und Verbündeten von Deutschland und Europa die Freiheit der Meinung und die Unabhängigkeit der Justiz gewährleistet sein müssen wie in Europa. Sie forderte auch von der Türkei, die Meinungsfreiheit, Kunstfreiheit und Pressefreiheit zu beachten, "weil wir von der Stärke des Rechtsstaats überzeugt sind." Für diesen seien Meinungsfreiheit, Kunstfreiheit und Pressefreiheit elementar.

Zitiervorschlag

Pia Lorenz, Beleidigung eines Staatsoberhaupts durch Erdogan-Gedicht?: . In: Legal Tribune Online, 15.04.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/19096 (abgerufen am: 20.11.2024 )

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