Umstrittene Verfassungsreform der Meloni-Regierung: Ita­liens Minis­ter­prä­si­dent soll künftig direkt gewählt werden

19.06.2024

Die umstrittene Verfassungsreform der Meloni-Regierung in Italien hat eine erste Hürde genommen. Es geht auch um einen Mehrheitsbonus für die meistgewählte Partei. Die Opposition kritisiert das Vorhaben scharf.

Die Pläne für eine umstrittene Verfassungsreform von Ministerpräsidentin Giorgia Meloni haben eine erste Hürde genommen. Der italienische Senat billigte am Dienstag einen entsprechenden Gesetzentwurf der Regierung.

Die Verfassungsreform sieht vor, dass der Ministerpräsident in Zukunft nicht mehr vom Staatspräsidenten mit der Bildung einer Regierung beauftragt, sondern direkt vom Volk für fünf Jahre gewählt wird. Außerdem soll ein Mehrheitsbonus von 55 Prozent für die meistgewählte Partei eingeführt werden. Mit diesem Bonus soll dem Wahlgewinner automatisch – auch wenn dieser nicht die absolute Mehrheit der Stimmen erhält – eine komfortable Mehrheit sowohl in der Abgeordnetenkammer als auch im Senat garantiert werden.

Referendum wahrscheinlich

Der vom Senat gebilligte Gesetzentwurf zur Verfassungsänderung wird nun zur Abstimmung an die Abgeordnetenkammer gegeben. Der Gesetzentwurf erhielt am Dienstag im Senat mit 109 Stimmen nicht die erforderliche Zweidrittelmehrheit, um ein Referendum zu vermeiden. Es wird auch nicht erwartet, dass er in der Abgeordnetenkammer eine solche erhält. Es handelt sich mit der Senatsabstimmung also erst einmal nur um einen Zwischenschritt zur Verabschiedung.

Denn für jede Verfassungsänderung ist in Italien eine Zweidrittelmehrheit in den beiden Kammern des Parlaments nötig. Sollte diese nicht zustande kommen, stimmen letztlich Italiens Bürger in einem Referendum ab. Zuletzt scheiterte der damalige Regierungschef Matteo Renzi 2016 an einem Verfassungsreferendum. Er musste daraufhin zurücktreten.

Aufruf zu vereinter Opposition

Die drei größten Oppositionsparteien demonstrierten am Dienstagabend mit Tausenden Anhängern gegen die Reform. Elly Schlein von der sozialdemokratischen PD rief die chronisch zerstrittene Linke dazu auf, sich gegen das Vorhaben der Meloni-Regierung zu verbünden: "Dies ist ein entscheidender Schritt in der italienischen und europäischen Geschichte. Seien wir bereit, geeint und geschlossen." An der Demonstration nahm ebenfalls der Chef der linkspopulistischen Fünf-Sterne-Bewegung, Giuseppe Conte, teil.

Unter den Regierungsparteien brach hingegen Jubel aus. Regierungschefin Meloni bezeichnete das Votum als ersten Schritt, um die Demokratie zu stärken. Durch die Reform würde zudem den italienischen Institutionen Stabilität verliehen, was den Palastspielen ein Ende setze und den Bürgern das Recht zurückgebe, zu wählen, von wem sie regiert werden, schrieb Meloni am Abend auf der Online-Plattform X.

Scharfe Kritik an Vorhaben der Regierung

Die Regierung in Rom will mit der Reform gegen die chronische Instabilität italienischer Regierungen ankämpfen. Seit Ende des Zweiten Weltkriegs hatte Italien insgesamt fast 70 Regierungen. Einig sind sich viele, dass deshalb das politische System reformiert werden muss. Allerdings wird die nun angestoßene Reform von Opposition und Verfassungsrechtlern scharf kritisiert.

Sie befürchten, dass Melonis Reform dem Parlament und dem Staatspräsidenten wichtige Kompetenzen entziehen könnte. Die Rolle des Staatspräsidenten mit seiner ausgleichenden Schlüsselfunktion würde verringert. Sie bemängeln zudem, dass sich die Macht auf eine einzige Person konzentrieren und so das Machtgefüge auf den Kopf gestellt würde.

Meloni fast zwei Jahre an der Regierung

Im Herbst ist Meloni schon zwei Jahre an der Regierung. Seit Oktober 2022 regieren ihre ultrarechten Fratelli d'Italia (Brüder Italiens) zusammen mit der konservativen Partei Forza Italia und der rechtspopulistischen Lega. Die Durchschnittsdauer italienischer Regierungen liegt bei 18 Monaten –Melonis Rechtsallianz wäre dann für italienische Verhältnisse schon länger als üblich an der Macht. Die Verfassungsreform als Lösung für die politische Instabilität war eines der wichtigsten Wahlversprechen des Regierungsbündnisses.

dpa/jb/LTO-Redaktion

Zitiervorschlag

Umstrittene Verfassungsreform der Meloni-Regierung: Italiens Ministerpräsident soll künftig direkt gewählt werden . In: Legal Tribune Online, 19.06.2024 , https://www.lto.de/persistent/a_id/54806/ (abgerufen am: 29.06.2024 )

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