Die Leistungen des SGB II sind nach Auffassung des SG Berlin mit dem Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums nicht vereinbar. Die 55. Kammer hat daher dem BVerfG die Frage der Verfassungswidrigkeit des SGB-II-Regelbedarfs zur Prüfung vorgelegt.
Zwar seien die Leistungen nicht evident unzureichend. Der Gesetzgeber habe bei der Festlegung des Regelsatzes jedoch seinen Gestaltungsspielraum verletzt. Die Referenzgruppe der unteren 15 Prozent der Alleinstehenden, anhand deren Verbrauchs die Bedarfe für Erwachsene ermittelt worden sind, sei fehlerhaft bestimmt worden.
Die vorgenommenen Kürzungen einzelner Positionen (Ausgaben für Verkehr, alkoholische Getränke, Mahlzeiten in Gaststätten und Kantinen, Schnittblumen usw.) seien ungerechtfertigt. Insbesondere habe der Gesetzgeber dabei den Aspekt der Teilhabe am gesellschaftlichen Leben unzureichend gewürdigt. Im Ergebnis seien die Leistungen für einen Alleinstehenden um monatlich rund 36 Euro und für eine dreiköpfige Familie (Eltern und 16-jähriger Sohn) um monatlich rund 100 Euro zu niedrig bemessen.
Geklagt hatte eine dreiköpfige Familie gegen das Jobcenter Berlin Neukölln wegen der Höhe der ab Januar 2011 bewilligten Leistungen (knapp 440 Euro). Die Familie trug vor, dass sie mit dem bewilligten ALG II ihre Ausgaben nicht decken könnten, trotz größter Sparsamkeit müssten sie regelmäßig ihren Dispokredit und Privatdarlehen in Anspruch nehmen.
Das Gericht kam zu der Überzeugung, dass die Familie zwar nach den SGB-II Vorschriften keine höheren Leistungen beanspruchen könne. Diese Vorschriften seien jedoch mit dem Grundgesetz nicht vereinbar. Das Verfahren wurde daher ausgesetzt und die Frage der Verfassungsmäßigkeit des aktuellen Regelsatzes dem Bundesverfassungsgericht zur Entscheidung vorgelegt.
Der Beschluss vom 25. April 2012 (Az. S 55 AS 9238/12) des Sozialgerichts (SG) Berlin ist der deutschlandweit erste Vorlagebeschluss an das Bundesverfassungsgericht (BVerfG), in dem es um die Klärung der Verfassungsmäßigkeit der neuen Regelsatzhöhe geht.
plö/LTO-Redaktion
BVerfG soll über Hartz IV entscheiden: . In: Legal Tribune Online, 25.04.2012 , https://www.lto.de/persistent/a_id/6074 (abgerufen am: 24.11.2024 )
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