2/2: Strafbar oder nicht? Bei Streitigkeiten geht es vors AG
Der Aufwand für die Unternehmen dürfte hoch werden. Sie müssen einen inländischen Zustellungsbevollmächtigten in Deutschland vorhalten, vierteljährlich müssen sie, beschränkt auf Hasskriminalität und strafbare Falschnachrichten, über ihren Umgang mit den Beschwerden, deren Anzahl und Konsequenzen berichten.
Errichten sie kein solches Beschwerdewesen oder berichten sie nicht korrekt darüber, können Bußgelder bis zu 5 Millionen Euro gegen die Verantwortlichen und bis zu 50 Millionen Euro gegen die Unternehmen fällig werden. Reagiert das Netzwerk nicht auf eine Beschwerde, kann der Nutzer sich auch an die Bußgeldstelle wenden.Das BMJV geht allerdings davon aus, dass dies nur in fünf Prozent aller erfolglosen Beschwerden, also jährlich rund 25.000 Fällen geschehen werde.
Zuständig für die Ordnungswidrigkeiten und ihre Verfolgung ist das Bundesamt für Justiz. Dort geht der Entwurf von zusätzlichen Personalkosten von 300.000 Euro jährlich aus, weitere 300.000 Euro jährlich würden für Schulungen, Übersetzungen und Monitoring nötig. Ist die Strafbarkeit eines Inhalts streitig, muss darüber das Amtsgericht Gericht im Vorabwege entscheiden, der Antrag auf Vorabentscheidung ist dort zusammen mit der Stellungnahme des Netzwerks vorzulegen. Über den Antrag soll ohne mündliche Verhandlung entschieden werden können, die amtsgerichtliche Entscheidung ist unanfechtbar und für das Bundesamt für Justiz bindend.Der Gesetzentwurf geht davon aus, dass im Jahr weniger als 100 solcher Vorabentscheidungen durchgeführt würden.
Auch gegen den Bußgeldbescheid können die Unternehmen Einspruch beim Amtsgericht einlegen.
Kritik: zwischen Meinungsfreiheit und strafrechtlicher Relevanz
Der Zentralrat der Juden begrüßte das Vorgehen. Für die Vorsitzende des Verbraucherausschusses des Bundestages, Renate Künast, ist der Entwurf längst überfällig. "Von Hate und Fake Betroffene werden allerdings weiterhin im Stich gelassen, wenn es um Online-Hass geht, der nicht offensichtlich strafrechtlich einzuordnen ist", sagte die Grünen-Politikerin der Deutschen Presse-Agentur. Doch gerade um diese Graubereiche gehe es oft. "Fake News können sich so weiter ungebremst verbreiten und unser gesellschaftliches Klima vergiften."
Der Internetverband eco hingegen kritisierte, eine starre Frist von 24 Stunden zur Löschung illegaler Inhalte sei realitätsfern und fördere die wahllose Löschkultur im Netz. "Wir bewegen uns in einem sehr sensiblen Spannungsverhältnis zwischen Meinungsfreiheit und strafrechtlich relevanten Äußerungen", sagte Vorstand Oliver Süme.
Auch der Digitalverband Bitkom sieht in dem Entwurf Lücken. Mit dem Vorschlag verlagere das Justizministerium staatliche Aufgaben auf privatwirtschaftliche Unternehmen. "Wir sind verwundert, dass die Frage, weshalb die Behörden bislang auf die konsequente Durchsetzung geltenden Rechts verzichten, unbeantwortet bleibt", sagte Hauptgeschäftsführer Bernhard Rohleder.
Bundeswirtschaftsministerin Brigitte Zypries (SPD) hatte vor kurzem bei der EU-Kommission eine Konkretisierung angeregt, "welche freiwilligen Maßnahmen ein Plattformbetreiber ergreifen kann, ohne seine neutrale Rolle als Vermittler aufzugeben".
Mit Materialien von dpa
Pia Lorenz, Fake News und Hasskommentare: . In: Legal Tribune Online, 14.03.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/22371 (abgerufen am: 23.11.2024 )
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